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Mit deutlichen Worten verlässt die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Plattform X, die früher Twitter hieß. Als Gründe nennt sie den Anstieg von Desinformation, Hass und Antisemitismus seit der Übernahme durch Elon Musk – und dass dieser solche Inhalte selbst verbreitet.
Die Antidiskriminierungsbeaufgragte des Bundes, Ferda Ataman. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / IPONDie Antidiskriminierungsstelle des Bundes verlässt die Plattform X. In mehreren Nachrichten auf X begründet sie dies ausführlich und ruft andere öffentliche Stellen auf, sich zu fragen, „ob es weiterhin tragbar ist, auf einer Plattform zu bleiben, die zu einem Desinformations-Netzwerk geworden ist und dessen Eigentümer antisemitische, rassistische und populistische Inhalte verbreitet.“ Sie ist damit nach Informationen von netzpolitik.org die erste staatliche Stelle auf Bundesebene, die mit dieser Argumentation die Plattform verlässt.
Die Antidiskriminierungsstelle habe als staatliche Institution eine Vorbildfunktion: „Deshalb ist ein Verbleib auf X für uns nicht länger vertretbar“, heißt es in der Mitteilung auf X.
„Kein tragbares Umfeld mehr“
Durch den enormen Anstieg von Trans- und Queerfeindlichkeit, Rassismus, Misogynie, Antisemitismus und anderen menschenfeindlichen Inhalten sei X für das Profil einer öffentlichen Stelle kein tragbares Umfeld mehr. Es stelle sich zudem die Frage, welche Zielgruppen über X noch erreicht werden können. Auch sei die Zahl der Hasskommentare so massiv angestiegen, dass die Stelle dem nur mit einem hohen personellen Aufwand begegnen könne. Die Antidiskriminierungsstelle stellt infrage, ob dieser Einsatz mit Steuermitteln überhaupt zu rechtfertigen sei.
Weiter heißt es:
Hate Speech und Desinformation haben besonders nach dem Eigentümerwechsel und Massenentlassungen bei Twitter zugenommen. Elon Musk ist aus dem freiwilligen EU-Abkommen zur Bekämpfung von Desinformationen im Internet ausgestiegen. Das lässt darauf schließen, dass der Wille, Desinformationen entgegenzutreten, fehlt.
Zuvor gesperrte rechtsextreme Accounts würden wieder freigeschaltet und das Verifizierungssystem kommerzialisiert. Infolgedessen hätten sich offenbar auch sogenannte Troll-Fabriken, die prorussische Propaganda verbreiten, das Verifikations-Häkchen gekauft, um ihre Reichweite zu erhöhen und Debatten zu beeinflussen. „Seither ist es kaum noch möglich, seriöse von nicht-seriösen Quellen zu unterscheiden“, so die Antidiskriminierungsstelle.
Die Stelle verweist auch auf eine Erklärung von mehr als 160 Rabbiner:innen und Vertreter:innen jüdischer Organisationen, die kürzlich zum Boykott der Plattform aufgerufen haben. Darin heißt es: „X ist zu einem Nährboden für Antisemitismus geworden und stellt eine der größten Gefahren für Juden seit Jahren dar. Wenn sich nicht etwas ändert, wissen wir, was passieren wird: Hassreden und Radikalisierung sind immer die Vorstufe zur Gewalt.“
Bisher vor allem zusätzliche Accounts
Staatliche Stellen und Behörden haben seit einiger Zeit angefangen, sich Zweitkonten auf alternativen sozialen Netzwerken zu erstellen. So sind zahlreiche staatliche Institutionen mittlerweile im Fediverse auf Mastodon vertreten. Auch beim derzeit angesagten Twitter-Konkurrenten Bluesky verfügen bereits unter anderem das Auswärtige Amt, der Deutsche Bundestag und das Bundeswirtschaftsministerium über aktive Accounts.
Im August hatte die Landtagsverwaltung von Rheinland-Pfalz ihren Ausstieg aus Twitter verkündet und dies mit Hassbotschaften und schlechter Moderation begründet. Twitter sei kein verlässlicher Partner mehr. Der Bundesdatenschutzbeauftragte war bereits im November 2022 ausgestiegen, er begründete dies mit „instransparenten Entwicklungen“ auf der Plattform.
Der Bundesdatenschutzbeauftragte betreibt seit 2020 mit social.bund.de eine Mastodon-Instanz, auf der mittlerweile 102 aktive Profile von staatlichen Stellen und Institutionen zu finden sind.
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Author: Markus Reuter