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Wie russische Oligarchen an deutschem Steuergeld verdienen wollen
Der deutsche Staat soll 1,8 Milliarden Euro an Gasimporteure bezahlen – als Ausgleich für finanzielle Schäden, die diese durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine erlitten haben. Das Problem: Von diesen Zahlungen können über Umwege auch sanktionierte russische Oligarchen profitieren.
von David Schraven
Der Gasversorger Wintershall DEA fordert von der Bundesregierung eine Milliardenzahlung als Ersatz für sein gescheitertes Russlandgeschäft. Grundlage der Forderung ist nach Informationen von CORRECTIV dies: Die Firma hatte im Jahr 2016 von der schwarz-roten Bundesregierung unter Angela Merkel Investitionsgarantien erhalten. Diese sollten damals den Tausch der deutschen Gasspeicher gegen Anteile an russischen Gasfeldern in Sibirien absichern. Das Geschäft hatte Sigmar Gabriel (SPD), zu dieser Zeit Wirtschaftsminister, genehmigt.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 scheiterte der Deal. Deshalb will Wintershall nun nach Informationen von CORRECTIV die zugesicherten Investitionsgarantien in Höhe von über 1,8 Milliarden Euro in Anspruch nehmen.
Konkret hatte der Bund 2016 zwei Investitionsgarantien zur Absicherung politischer Risiken zugunsten der Wintershall übernommen. Mit den Initiativen Nr. GKE 5486 und Nr. GKE 5487 wurde die Förderung des Erdgases und anderer Nebenprodukte versichert, die aus der Achimov-Formation sowie dem Urengoy-Feld in Sibirien stammen.
Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium bestätigte auf Anfrage von CORRECTIV, dass ihm eine Forderung der Firma Wintershall vorliege. Es weigert sich aber wie die Wintershall DEA bislang, die Höhe der Forderung genau zu beziffern, die das Unternehmen vom Deutschen Steuerzahler haben will. Die Entschädigungsverfahren dauere an, teilte das Bundeswirtschaftsministerium mit.
Klage auf Auskunft
CORRECTIV hat das Bundeswirtschaftsministerium vor dem Verwaltungsgericht Berlin deshalb auf Auskunft verklagt. Es geht uns darum, die genaue Höhe der Bürgschaften zu erfahren – denn es geht um Geld der Steuerzahler, das in die Taschen von dubiosen russischen Oligarchen fließen könnte.
Zum Zeitpunkt des Gas-Geschäftes 2016 war die Firma Wintershall im Besitz des BASF-Konzerns. Der Deal zwischen Regierung und Unternehmen wurde nach dem ersten Überfall auf die Ukraine geschlossen. Er brachte Deutschland in die strukturelle Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen und stellte gleichzeitig die heimischen Gasspeicherkapazitäten unter Kontrolle des russischen Staates.
Wie russische Oligarchen am Steuergeld mitverdienen wollen
Mittlerweile aber gehört Wintershall DEA nicht mehr allein zu BASF, und hier kommen die russischen Oligarchen ins Spiel:
Zwischen 2018 und 2019 wurde die Firma Wintershall in Wintershall DEA umbenannt und eine Firma namens LetterOne stieg dort über einen Aktientausch mit BASF ein. Aktuell gehören der LetterOne 27,3 Prozent an Wintershall DEA.
Die Firma LetterOne wiederum wurde 2013 von der russischen Alfa-Gruppe in Luxemburg gegründet. Hinter der Firma stehen laut aktuellem Geschäftsbericht immer noch die russischen Oligarchen Mikhail Fridman, Petr Aven und Andrei Kosogov.
Gegen all diese Oligarchen wurden vielfach Sanktionen unterschiedlicher Akteure verhängt, gegen die sie sich im Mai 2024 zum Teil erfolgreich vor Europäischen Gerichten wehrten. In der Folge forderte der Oligarch Fridmann Schadensersatz vom Land Luxemburg in Höhe von über 15 Milliarden Dollar, wie ein russisches Medium berichtete. Im russischen System werden diese Art von Forderungen durch Oligarchen häufig als politisches Druckmittel verwendet.
Der Europäische Gerichtshof bestätigte allerdings die Sanktionen im September 2024. Die EU führt Fridman und Aven weiter auf ihrer Sanktionsliste. Genauso wie andere Staaten. Andrei Kosogov steht auf Sanktionsliste der Ukraine. Die Firma LetterOne ist nicht sanktioniert.
CORRECTIV hat die Firma LetterOne gefragt, ob die genannten Personen noch immer zu ihren Anteilseignern gehören – denn das würde bedeuten, dass sanktionierte russische Akteure mittelbar an deutschem Steuergeld mitverdienen könnten. LetterOne bestätigt, dass Fridman und Aven unter 50 Prozent an der LetterOne besitzen, Kosogov weniger. Allerdings würden an die russischen Oligarchen derzeit keine Dividenden oder finanzeilen Vorteile ausgezahlt.
Petr Aven wurde im Rahmen der Arbeit des US-Sonderermittlers Müller im Zuge der ersten Amtseinführung von Donald Trump als Mittler zwischen Trump und dem russischen Machthaber Putin bekannt. Im Zug der Recherche des Konsortiums ICIJ zu Scheinfirmen in Zypern musste Aven eine Strafzahlung in Höhe von mehr als eine Milliarde US-Dollar akzeptieren.
Mikhail Fridman kam schon in den 1990er Jahren unter Boris Yeltsin zu seinem Vermögen. Als Gründer der Alfa-Gruppe wurde er vor allem mit Öl- und Gasgeschäften reich. Später verkaufte er einen großen Teil seiner Firmen an Rosneft. Letztere ist eine teilstaatlichen Firma unter Kontrolle von Igor Sechin, einem engen Putin-Verbündeten. Den Erlös aus diesem Deal investierte Fridman dann wieder mit seinen russischen Oligarchen-Partnern in die LetterOne in Luxemburg.
Erst vor wenigen Wochen wurde ein weiteren Anteilstausch rund um die Wintershall DEA, BASF und LetterOne vereinbart. Der britischen Konzern Harbour Energy soll einsteigen. Mit der neuen Eigentümerstruktur will die Wintershall DEA weiter das Geld vom deutschen Staat eintreiben.
Die Firma LetterOne der russischen Oligarchen bleibt aber auch in Zukunft im Spiel. Sie soll an der Harbour Energy mit 14.9 Prozent beteiligt werden, vorerst aber keine Stimmrechte bekommen. Im Gegenzug soll Harbour Energy Eigentümer der Wintershall DEA werden.
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Mehr zum russischen Angriff auf Europa im neuen CORRECTIV-Buch:
Europas Brandstifter: Putins Krieg gegen den Westen
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Author: Anette Dowideit
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