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Was dieser Ex-Flüchtling in einem ICE tat, verschweigt die AfD!

Es kursiert in den sozialen Netzwerken gerade eine schöne Geschichte, die auch von anderen Medien wie dem Merkur aufgegriffen wurde: Ein geheimnisvoller Gönner zahlte spontan im ICE allen heimlich das Essen und verließ dann das Bordbistro, ohne dass die Leute wussten, wer er ist. Ali Mahlodji, der als kleines Kind mit seiner Familie aus dem Iran fliehen musste, ist heute erfolgreicher Unternehmer. Am 15.12. zahlte er als großzügige Geste für das gesamte Bordbistro im ICE von Nürnberg nach Wien die Rechnungen.

Original Post

Ein Mensch, der als Flüchtling nach Europa kam, jetzt erfolgreich ist und nette Geschenke für seine Mitmenschen macht – die rassistische AfD wird es hassen, wenn du davon erfährst, macht es doch ihr widerliches Märchen kaputt, dass Menschen mit nicht weißer Hautfarbe böse und schlecht seien. Teile diese Geschichte, die die AfD verschweigen will!

Tolle Geschichte … oder?

So oder so ähnlich könnte ich diesen Text schreiben und genau das Gleiche machen wie die AfD, nur andersherum. Dabei will ich es jetzt aber nicht belassen. Ja klar: Die AfD will Hass verbreiten und dich dazu indoktrinieren, gewisse Menschen zu verachten. Sie hat fundamental Unrecht mit ihrer verzerrten Darstellung der Realität. Es ist wichtig, dass wir ihr täglich widersprechen. Aber würde ich diesen beliebigen Fall oder einen der hunderten ähnlichen Fälle instrumentalisieren, würde ich fast dasselbe machen.

Klar war es eine nette Geste von Mahlodji im ICE, für die er auch von vielen gelobt wird. Unter den Kommentaren freuen sich Leute: „Nur ein wundervoller Mensch kann auf so eine wundervolle Idee kommen!“, oder „Inspirierend!“. Einige andere merken aber auch an: „Ich finde es viel ehrlicher, wenn man Geste macht, aber nicht mit allen mitteilt“, oder „Fishing for compliments, nichts anderes, es gibt so viele Menschen, die jeden Tag so viel mehr Gutes tun und das nicht an die große Glocke hängen.“

Und umgekehrt würden einige von euch uns zu Recht kritisieren, wenn wir ihn auf seine Lebensgeschichte und seine Vergangenheit als Schutzsuchender reduzieren würden. Diese hatte rein gar nichts mit seiner Geste und seiner Menschlichkeit zu tun. Wir würden genau das Gleiche machen, wie die AfD, denn wir würden Menschen in die gleichen Kategorien einteilen: „Wir“ und „Die“.

Einzelfälle instrumentalisieren

Ich habe es trotzdem gemacht, weil ich auf etwas Wichtiges hinweisen will: Wie leicht man derartige Fälle aus dem Kontext reißen und kleine Storys für die eigene politische Agenda instrumentalisieren kann. Ich wollte es nur bewusst beispielhaft an einem positiven Fall machen, um nicht noch weiter in die gleiche Kerbe des Hasses und der Lügen zu schlagen wie die rechtsextreme AfD. Denn die arbeitet mit genau diesen Methoden:

Während sie mit jeder Menge Lügen ihren Fans einredet, sie dürften allen anderen Medien nicht glauben, damit die AfD und die ihr nahestehenden Propaganda-Medien die alleinige Macht darüber haben, was diese Menschen erfahren und glauben, instrumentalisiert sie jede negative Geschichte, die sie findet. Das Ziel: Eine komplett einseitige und falsche Darstellung der Realität zu schaffen. Und dabei lügt sie auch ständig. In Viersen, bei Magnitz, in München, in Hamburg, beim Brand von Notre DameMünsterBottrop, HalleHanau und vielen anderen Fällen haben sie ja auch versucht, Muslime/Linke/Schutzsuchende zu beschuldigen, obwohl die nichts damit zu tun hatten.

Zusätzlich zu jeder Menge Fakes wird dann einfach jeder „echte“ Einzelfall herausgepickt – damit du ständig davon hörst und nur darüber redest. Damit du denkst, das sei normal. Eine perfide Manipulationstaktik, denn der absolute Großteil aller Schutzsuchenden sind friedlich, gesetzestreu und Menschen wie du und ich. Aber die Rassisten wollen diese Wahrheit vor dir verbergen.

Die Macht der Manipulation

Man könnte den Spieß umdrehen und genau das Gegenteil machen, und jeden positiven Fall instrumentalisieren, wie ich es gerade hier mit dem ICE-Gönner gemacht habe. Ich kann dir noch jede Menge anderer und besserer „Einzelfälle“ nennen. Ein 17-jähriger Flüchtling rettete ein Mädchen in Berlin vor einer Männergruppe, die ihn dabei mit Messern verletzte. Ein Mann, der mit 14 nach Deutschland kam, hat einen Dreijährigen aus einem eiskalten Fluss vor dem Ertrinken gerettet. Ein irakischer Asylbewerber und gelernter Tierarzt hat den Opfern eines Flugzeugabsturzes bei Osnabrück das Leben gerettet.

In Füssen hat ein Schutzsucher einem Menschen das Leben gerettet, der in den Lech gefallen war. In der vom Hochwasser verwüsteten Stadt Braunsbach halfen 2018 46 Flüchtlinge beim Aufräumen und der Versorgung von Hilfskräften und Einwohnern. Der 23-jährige Sleman Mohammed rettete eine junge Frau in München vor einem Sexualtäter, wofür er ausgezeichnet wurde. Der 34-jährige Syrer Hadi Esmaeel bekam den Zivilcourage-Preis Kriminalpräventionsverein der Gemeinde Harsum, weil er eine Frau vor einem Messerstecher rettete.

Was du liest, glaubst du – die AfD weiß das

Und so weiter und so fort. Vielleicht müssen wir wirklich mehr solcher Geschichten erzählen, von denen du wahrscheinlich noch nie gehört hast, denn die deutschen Medien sind längst dort, wo die AfD sie haben will: Eine Studie des Instituts für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz analysierte fünf Jahre Medienberichterstattung über Flucht und Migration in Medien nach der sogenannten „Flüchtlingskrise“. Die Forschenden stellten fest: Während der absolute Großteil der Geflüchteten friedlich und gesetzestreu ist und oft selbst vor Terror flieht, brachten die Medien die Schutzsuchenden überproportional mit Terror und Kriminalität in Verbindung. Im „schlimmsten“ Quartal im Untersuchungszeitraum handelte jeder vierte Bericht davon. Am negativsten berichtete natürlich BILD.

Die AfD und BILD schaffen es, dass auch alle über deren gewünschte Geschichten berichten. Vielleicht bleibt uns nichts anderes übrig, als selbst Einzelfälle zu instrumentalisieren und positive Geschichten zu erzählen, bevor die rechtsextreme AfD noch weitere Erfolge mit ihrer rassistischen Propaganda feiert und mehr Menschen indoktriniert. Aber alternativ könnte man auch versuchen, die AfD und BILD und deren Instrumentalisierungen zu ignorieren, kollektiv zu boykottieren und einfach gar nicht irgendwelche nicht repräsentativen Einzelfälle auszuschlachten. Wie wäre es, wenn man stattdessen alle Menschen in Deutschland, egal, wo sie herkommen, als ganz normale Menschen präsentiert? Also als das, was sie sind. Nicht als eine ausgedachte homogene Gruppe, sondern als eine, die unterschiedlicher nicht sein könnte.

Aber ich bin sehr pessimistisch, dass die gesamte Medienlandschaft von heute auf morgen erkennt, dass sie von BILD, AfD & Co. jeden Tag aufs neue manipuliert wird. Vielleicht müssen wir dann auch kleine nette Gesten aus einem ICE erzählen, um dagegenzuhalten. Nicht, weil sie von Schutzsuchenden begangen werden, sondern weil wir mehr Geschichten von Zusammenhalt, Großzügigkeit und Nächstenliebe brauchen.

Artikelbild: Screenshot https://www.instagram.com/ali.mahlodji.official/

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