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Von Amnesty bis Seawatch: Breite Front gegen Überwachungspaket der Ampel

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Das sogenannte Asyl- und Sicherheitspaket der Ampel-Regierung stößt bei mehr als 20 namhaften zivilgesellschaftlichen Organisationen auf strikte Ablehnung. Die Organisationen, die nicht nur aus dem digitalpolitischen und grundrechtlichen Spektrum stammen, fordern in einem offenen Brief insbesondere, dass die biometrischen Überwachungsbefugnisse aus dem geplanten Gesetz gestrichen werden. Sie kritisieren das Gesetzespaket in scharfen Worten als unverhältnismäßig, menschenunwürdig und völkerrechtswidrig.

Der Appell, den neben Mitgliedern des Bündnisses „Gesichtserkennen Stoppen“ noch 15 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen gezeichnet haben, erfolgt anlässlich der heutigen Anhörung im Innenausschuss zu den Maßnahmen des sogenannten Sicherheitspaketes der Bundesregierung. Er kritisiert die Ausweitung der Befugnisse der Sicherheitsbehörden im digitalen Bereich, geht aber auch auf die Verschärfungen im Asylbereich ein.

„Kopfloser Aktionismus“

Die Ampel-Regierung geht beim Asyl- und Überwachungspaket mit sehr großer Geschwindigkeit vor. Die erste Lesung der Gesetzes war am 12. September, die Sachverständigenanhörung nur elf Tage später. Der Zivilgesellschaft bleibt bei so einem Tempo nur wenig Zeit, das Gesetz zu bewerten und sich in den Diskurs einzubringen. Trotz des Tempos hatten am vergangenen Dienstag in Berlin etwa 1.000 Menschen gegen das Paket vor der SPD-Zentrale demonstriert, sie kritisierten vor allem die Verschärfungen im Asylbereich, aber auch die Überwachungspläne.

In dem Brief werden nun die Bundestagsabgeordneten aufgefordert, „sich dem kopflosen Aktionismus, der mit dem Sicherheitspaket einhergeht, entgegenzustellen, Grund- und Menschenrechte zu schützen und für die Rechtsstaatlichkeit einzustehen.“ Die Maßnahmen des Paketes stünden in keinem Verhältnis zum vermuteten Sicherheitsgewinn.

Gleichzeitig kritisieren die Unterzeichnenden vom Amnesty International bis Seawatch, dass die Verschärfungen des Asylrechts autoritäre Narrative stützen würden, indem die Rechte „Anderer“ infrage gestellt werden. Das Gesetz trage zur Spaltung der Gesellschaft bei und untergrabe die Menschenwürde. Die im Gesetz enthaltenen anlasslosen Kontrollen seien zudem ein Einfallstor für Racial Profiling, also rassistische Kontrollen.

So will die Bundesregierung Asyl- und Polizeigesetze verschärfen

„Wettlauf der Schäbigkeit“

Außerdem heißt es im Brief: „Der Schutz von Menschenrechten darf nicht unter Vorbehalt stehen. Insbesondere im Kontext erstarkender rechtsextremer Parteien müssen die demokratischen Kräfte gemeinsam die Möglichkeit des institutionellen Machtmissbrauchs minimieren. Wir fordern Sie daher auf, sich gegen jede Form der biometrischen Fernidentifizierung in Deutschland einzusetzen.“

Die Ampel-Regierung, die sich selbst als „Fortschrittskoalition“ bezeichnet hatte, bricht mit dem Gesetzespaket den eigenen Koalitionsvertrag: In diesem hatte sie sich klar gegen Gesichtserkennung und eine Ausweitung der Überwachung positioniert. Der ehemalige Landesdatenschutzbeauftragte von Baden-Württemberg Stefan Brink wirft deswegen der Ampel einen Verlust von Überzeugungen und die Beteiligung an einem „Wettlauf der Schäbigkeit“ vor.

Rechtsextreme Kräfte sind auf dem Vormarsch.

Wir halten mit unserer Arbeit dagegen.

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Wir dokumentieren den offenen Brief im Volltext:

Haltung zeigen – Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit verteidigen, biometrische Gesichtserkennung stoppen

Sehr geehrte Abgeordnete des Deutschen Bundestages,

mit den Gesetzentwürfen zum sogenannten Sicherheitspaket schlagen die Fraktionen der Ampel-Koalition die Verschärfungen des Asylrechts und die Einführung massenhafter biometrischer Überwachung vor. Trotz schwerwiegender offener Fragen bezüglich der Effektivität der vorgeschlagenen Maßnahmen und ihrer Konformität mit EU-Recht und dem Grundgesetz soll dieses Paket in Rekordzeit verabschiedet und umgesetzt werden.

Das Sicherheitspaket sieht Maßnahmen vor, die in keinem angemessenen Verhältnis zu dem vermuteten Gewinn an Sicherheit stehen. In einigen Bereichen besitzen die Regelungen reinen Symbolcharakter und werden die Sicherheitsbehörden im Vollzug mit neuen Aufgaben belasten, die sie davon abhalten, ihren eigentlichen Tätigkeiten nachzugehen.

Gleichzeitig stützen die vorgeschlagenen Verschärfungen des Asylrechts autoritäre Narrative, die die Rechte „Anderer“, in diesem Fall asylsuchender Menschen, infrage stellen, und tragen damit zur Spaltung der Gesellschaft bei. Asylsuchenden, für deren Asylantrag ein anderer Mitgliedstaat zuständig ist, sollen zukünftig nach zwei Wochen alle Sozialleistungen gestrichen werden. Das untergräbt die Menschenwürde und ist inakzeptabel und völkerrechtswidrig. Die geplante Ausweitung anlassloser Kontrollen durch die Polizei ist ein Einfallstor für Racial Profiling.

Wir fordern Sie dazu auf, sich dem kopflosen Aktionismus, der mit dem Sicherheitspaket einhergeht, entgegenzustellen, Grund- und Menschenrechte zu schützen und für die Rechtsstaatlichkeit einzustehen.

Eingeführt werden soll auch die Befugnis zum biometrischen Abgleich des gesamten Internets mit Bildern und Stimmen von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen. Bundeskriminalamt und Bundespolizei sollen diese Befugnis nicht nur zur Bekämpfung von Terrorismus, sondern auch als neues Standardinstrument erhalten, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sogar ohne Anfangsverdacht einer Straftat, nur um die Identität von Personen festzustellen. Eine solche Maßnahme ist technisch jedoch nur möglich, wenn riesige, unterschiedslose Gesichtsdatenbanken angelegt werden. Solche Gesichtsdatenbanken sind nach Artikel 5 der KI-Verordnung eine verbotene Praxis, da sie Massenüberwachung ermöglichen und zu schweren Verstößen gegen die Grundrechte, einschließlich des Rechts auf Privatsphäre, führen können. Es gibt zwar Ausnahmen im Rahmen der nationalen Sicherheit, aber ein Verbot des Einsatzes von biometrischen Fernidentifizierungssystemen ist laut KI-Verordnung ausdrücklich möglich und kann von den Mitgliedsstaaten rechtlich eingeführt werden.

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20 Euro für 20 Jahre

Der Schutz von Menschenrechten darf nicht unter Vorbehalt stehen. Insbesondere im Kontext erstarkender rechtsextremer Parteien müssen die demokratischen Kräfte gemeinsam die Möglichkeit des institutionellen Machtmissbrauchs minimieren.

Wir fordern Sie daher auf, sich gegen jede Form der biometrischen Fernidentifizierung in Deutschland einzusetzen.

Im Koalitionsvertrag verpflichten sich die Regierungsparteien gleich an zwei Stellen, biometrische Überwachung in Deutschland zu verhindern: Die „[b]iometrische Erkennung im öffentlichen Raum“ wie auch der „Einsatz von biometrischer Erfassung zu Überwachungszwecken“ werden explizit abgelehnt.

Es ist jetzt an der Zeit, ein Verbot biometrischer Überwachung konsequent zu verfolgen und Einschnitte in Grundrechte wie die ausufernden Ideen zur automatisierten Datenanalyse, die anlasslose IP-Adressdatenspeicherung, Videoüberwachung und Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, Onlinedurchsuchung für den Verfassungsschutz und die allgemeine und anlasslose Vorratsdatenspeicherung ein für alle Mal abzulehnen.

Wir fordern Sie auf, sich für den Schutz aller Menschen und das Recht auf ein Leben frei von Massenüberwachung und Kontrolle einzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Alphabetisch sortiert:

1. AlgorithmWatch

2. Amnesty International

3. Chaos Computer Club

4. D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt

5. Die Datenpunks

6. Digitale Freiheit e.V.

7. Digitale Gesellschaft e.V.

8. Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfFl e.V.)

9. Gesichtserkennung Stoppen

10. Humanistische Union e.V.

11. Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit e.V.

12. Komitee für Grundrechte und Demokratie

13.

14. LOAD e.V. – Verein für liberale Netzpolitik

15. Open Knowledge Foundation Deutschland e.V.

16. netzbegrünung – Verein für grüne Netzkultur e.V.

17. Sea-Watch e.V.

18. Seebrücke

19. SUPERRR Lab

20. Topio e.V.

21. Wikimedia Deutschland e. V.

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Author: Markus Reuter

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