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Verschiebung im Rat: Zeitplan für Chatkontrolle ist vorerst geplatzt

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Die EU-Staaten können nächste Woche ihre Position zur Chatkontrolle nicht beschließen. Bei einer wichtigen Sitzung flog die Verordnung von der Tagesordnung. Die Zivilgesellschaft ist erleichtert, jedenfalls für den Moment.
Die Zeit für die Chatkontrolle läuft ab. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Aron VisualsAm heutigen Mittwoch trifft sich der Ausschuss der Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten. In diesem Ratsgremium sollte die geplante EU-Verordnung zur „Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ auf der Tagesordnung stehen. Denn in einer Woche will der Rat seine Position dazu finalisieren. Doch der Gesetzentwurf, besser bekannt als „Chatkontrolle“, ist von der Tagesordnung verschwunden, wie zuerst heise.de berichtete.
Der ursprüngliche Zeitplan des Rats ist dadurch nicht mehr zu halten. Deutschland hatte schon in der Ratsarbeitsgruppe Strafverfolgung versucht, die Abstimmung über die Ratsposition zu verschieben und bekam dafür Unterstützung aus Polen, den Niederlanden und Österreich – damals jedoch ohne Erfolg.
Deutschland kann dem Verordnungsentwurf nicht zustimmen, denn er widerspricht in wichtigen Punkten der gemeinsamen Regierungsposition. Er sieht etwa vor, dass Anbieter von Internetdiensten auf Anordnung die private digitale Kommunikation aller Nutzenden scannen sollen. Wenn sie dabei Hinweise auf Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder oder Anbahnungsversuche finden, müssen sie die Kommunikation an ein geplantes EU-Zentrum weiterleiten.
Noch keine finale Position aus Deutschland
Deutschland spricht sich gegen ein Scannen verschlüsselter Kommunikation aus, die dadurch geschwächt würde. Uneins sind sich die deutschen Ministerien jedoch im Umgang mit unverschlüsselter Kommunikation. Während das Innenministerium daran festhält, sprachen sich die FDP-geführten Ministerien wie das Justizministerium gegen allgemeine Überwachungspflichten aus – wie es auch der Koalitionsvertrag vorsieht. Eine vollständige gemeinsame Position aus Deutschland fehlt daher bis heute.
Zivilgesellschaftliche Organisationen freuten sich über den geplatzten Zeitplan. „Die Verschiebung der Abstimmung im Rat zeigt: Es gibt keine Mehrheit für die Chatkontrolle“, sagte etwa Erik Tuchtfeld vom digitalpolitischen Verein D64 in einer Pressemitteilung. „Wir werden alles dafür geben, dass die Chatkontrolle Geschichte wird und wir endlich echte Lösungen im Kampf gegen die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen an Kindern finden können“, so Tuchtfeld weiter. Erst vor wenigen Tagen hatten D64 sowie viele weitere internationale Organisationen einen offenen Brief gegen die Überwachungspläne verfasst.
Auch aus dem Bundestag gibt es Beifall. Tobias B. Bacherle, Obmann im Digitalausschuss für die Grünen, bezeichnet die Verschiebung als wichtigen „Etappenerfolg“. „Jetzt liegt der Ball umso mehr bei Deutschland und der Bundesregierung, das Scannen privater Kommunikation und persönlicher Daten klar auszuschließen.“ Bundesinnenministerin Nancy Faeser könne „nicht weiter an der Idee festhalten, unverschlüsselte private Nachrichten und private Clouds zu durchleuchten“.
Je länger sich die Verschiebung hinzieht, desto knapper wird es für den gesamten Gesetzentwurf. Im Oktober will das EU-Parlament seine Position beschließen, dann sollte eigentlich der Trilog starten. Dafür müssen aber sowohl Kommission, Rat als auch Parlament ihre jeweiligen Entwürfe finalisiert haben. Wie lange die Einigung zwischen den drei EU-Gremien dauern wird, lässt sich schwer vorhersagen. Doch je näher der Zeitpunkt an das Ende der Legislatur im Sommer 2024 rückt, desto wahrscheinlicher wird ein Scheitern des gesamten Vorhabens.

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Author: Anna Biselli

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