Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
Politische Projektionen auf Botschaften, Regierungsgebäude und den Bundestag bewegten sich schon immer in einer rechtlichen Grauzone. Das Berliner Verwaltungsgericht hat nun einer Demo verboten, im Rahmen ihres Protests die russische Botschaft mit einer politischen Nachricht zu bespielen.
In Berlin sind politische Projektionen beliebt. Hierbei werden leistungsstarke Beamer genutzt, um repräsentative Gebäude mit politischen Botschaften zu bespielen. In der Regel wird dazu vorab keine Erlaubnis eingeholt. Greenpeace wirbt mit solchen Projektionen für Meeresschutz, andere Aktivist:innen beziehen so Position gegen die AfD. Auch netzpolitik.org hat schon einmal das Kanzleramt und ein Bundestagsgebäude mit Projektionen verziert.
Solche Projektionen befinden sich rechtlich in einer Grauzone. Meistens hat die Polizei keine Handhabe, um gegen solche Aktionen vorzugehen. Im Jahr 2016 hatte der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert kein Problem mit einer Projektion auf den Deutschen Bundestag. Das Berliner Verwaltungsgericht hatte in einem anderen Fall aber gegen die Nutzung des Paul-Löbe-Hauses als Projektionsfläche geurteilt.
Das Berliner Verwaltungsgericht untersagte jetzt einer Demonstration eine Projektion auf die russische Botschaft. Ein Verein wollte im Rahmen eines Protests am 24. Februar Bilder und Videos auf die Außenwand der Botschaft übertragen und hatte dies bei der Versammlungsbehörde angemeldet. Die Berliner Polizei untersagte die Projektion, wogegen die Anmelder:innen einen Eilantrag beim Berliner Verwaltungsgericht stellten.
„Würde der diplomatischen Mission“
Der Antrag blieb allerdings erfolglos, wie es in einer Pressemitteilung des Gerichts heißt. Laut dem Beschluss der 1. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG 1 L 57/24) beeinträchtige die geplante Projektion von Bildern und Videos auf Gebäudeteile der Botschaft die Würde der diplomatischen Mission. Nach dem Wiener Übereinkommen aus dem Jahr 1961 über diplomatische Beziehungen (WÜD) „treffe den Empfangsstaat die besondere Pflicht, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um die Räumlichkeiten einer diplomatischen Mission vor jedem Eindringen und jeder Beschädigung zu schützen und um zu verhindern, dass der Friede der Mission gestört oder ihre Würde beeinträchtigt wird“, so das Gericht.
Daraus folge zwar nicht, dass die Botschaft davor zu schützen sei, Kritik und entsprechende Meinungsäußerungen wahrzunehmen. Auch seien friedliche Demonstrationen vor diplomatischen Vertretungen grundsätzlich zulässig. Allerdings, so argumentiert das Gericht weiter, sei das „Erscheinungsbild des Botschaftsgebäudes als Repräsentanz eines Staates bei der Erfüllung diplomatischer Aufgaben essenziell“. Daher würden Projektionen die Gefahr bergen, dass der Botschaft „eine von ihr nicht geäußerte oder gebilligte Meinung unzutreffend zugeschrieben werde“.
In der Abwägung gibt das Gericht der Würde der diplomatischen Mission mehr Gewicht als der Meinungs- und Versammlungsfreiheit der Demonstrierenden. „Die Unverletzlichkeit der Würde der am internationalen völkerrechtlichen Verkehr beteiligten Staaten sei unverzichtbare institutionelle Mindestvoraussetzung für das friedliche Zusammenleben der Staaten“, und sei im Interesse der Bundesrepublik Deutschland, heißt es weiter in der Pressemitteilung.
Die Projektion zu untersagen, stelle demgegenüber einen geringfügigen Eingriff in die Meinungs- und Versammlungsfreiheit dar, weil Demonstrationen vor Botschaftsgebäuden weiterhin stattfinden könnten. Den Veranstalter:innen der Demo schlägt das Gericht vor, eine Leinwand vor der Botschaft aufzustellen.
Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Der Verein kann noch gegen ihn Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg einlegen.
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Author: Markus Reuter