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Verkehrsministerium: Das Tempolimit abwürgen, aber mit „KI“ das Klima schützen wollen

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.Der Autor ist…
Es klingt wie Satire, aber das Verkehrsministerium will jetzt Klimaschutz mit Künstlicher Intelligenz machen. Dabei würde ein bisschen mehr menschliche Intelligenz im Ministerium gegen die Klimakrise wirklich helfen. Ein Kommentar.
Die Zunahme von Extremwettern, wie hier in Libyen, ist eine Folge der Klimakrise. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / ZUMA PressWährend Griechenland im Extremwetter absäuft und in Libyen tausende Menschen in den Fluten ertrinken, kündigt das FDP-geführte Verkehrsministerium (BMDV) nun die Förderung von Künstlicher Intelligenz für den Klimaschutz an, um den „zunehmenden Bedarf an Mobilität umweltfreundlich zu bewältigen“. Und Verkehrsminister Volker Wissing schiebt nach: „Damit können wir den Verkehr klimafreundlicher gestalten.“
Nun ist es sicherlich nicht falsch, moderne Technologien bei der Verkehrswende zu benutzen. Doch es ist ein Hohn, dass Wissing sich nun ausgerechnet als klimafreundlich inszeniert, wenn sein Ministerium üblicherweise Klimaschutzmaßnahmen torpediert. Das Verkehrsministerium steht seit Jahren dafür, dass die Heilige Kuh des fossil-motorisierten Individualverkehrs nur mit Samthandschuhen angefasst wird. Auch unter Wissing bleibt es eine Art verlängerter Arm der Automobilindustrie; jüngst hat es die Klimaziele krachend verfehlt.
Um solche Probleme schönzurechnen, hatte die Bundesregierung ihre Sektorenziele aufgeweicht. Anstelle von Klimaschutzzielen, die jeder Sektor für sich einhalten muss, gibt es nun eine sektorübergreifende und mehrjährige Gesamtrechnung. Das heißt vereinfacht: Niemand ist so richtig verantwortlich, wenn die Klimaziele nicht erreicht werden. Besonders profitiert davon Wissings Verkehrsministerium, das richtig viel tun müsste, um irgendwie die Klimaziele zu erreichen. Es tut das Gegenteil.
Menschliche Intelligenz könnte helfen
Wissings Ministerium hat sich aktiv gegen die Forderung von mittlerweile mehr als 900 Städten und Gemeinden eingesetzt, die selbst über die Einführung von Tempo 30 entscheiden wollen. Begründung: Die Freiheitsrechte der Autofahrer:innen. Wissings Verkehrministerium und die FDP verhindern auch eine generelles Tempolimit von 120 auf Deutschlands Autobahnen. Das ist ein Schritt, der eine gesellschaftliche Mehrheit hat, ganz ohne künstliche Intelligenz auskommt und fast umsonst laut einer Studie des Umweltbundesamtes 6,7 Millionen Tonnen CO2 einsparen könnte.
Kombiniert man das Tempolimit mit einer Geschwindigkeitsgrenze von 80 auf Landstraßen, könnte man demnach auf einen Schlag fünf Prozent der Emissionen von Pkws und Nutzfahrzeugen einsparen. Auch künftige Generationen haben Rechte – zum Beispiel auf eine lebenswerte Zukunft. Aus Perspektive der FDP werden diese Rechte aber von den Brumm-Brumm-Freiheitsrechten ihrer heutigen Wähler:innen plattgemacht.
Mit ganz einfacher menschlicher Intelligenz könnte man auch klimaschädliche Subventionen abbauen, ob nun die Pendlerpauschale, das Dienstwagen– und Dieselprivileg oder die viel zu niedrige Besteuerung von Kerosin im Luftverkehr. Oder man könnte den Trend zu immer mehr Leistung und Leergewicht bei den Autos kritisieren. Oder kein Geld in unsinnigen Technologien wie E-Fuels versenken. Oder mal nicht das Geld von unten nach oben verteilen. Oder einfach einmal nicht nur auf dem Schoß der Autoindustrie sitzen.
Hokus-Pokus statt echte Mobilitätswende
Auch ohne Künstliche Intelligenz könnte das Verkehrsministerium wichtige Entscheidungen für eine Verkehrswende setzen: Städte umbauen, öffentlichen Nahverkehr verbessern, Radwege einrichten, alternative und ökologische Fortbewegung subventionieren. Stattdessen will Wissing Autobahnen zügig ausbauen und bringt dem 49-Euro-Ticket auffällig wenig Liebe entgegen.
Vor diesem Hintergrund fällt es schwer, die Versprechen von Klimafreundlichkeit durch KI ernstzunehmen. Viel mehr erscheint das „KI-Modellprojekt für umweltfreundlichen Verkehr in Kommunen“ wie ein weiteres Geldgeschenk für Wirtschaftsunternehmen, die klassische Zielgruppe der FDP-Politik. Was wir vom Verkehrsministerium brauchen ist kein Technik-Hokus-Pokus, sondern klare, mutige Maßnahmen – und menschliche Intelligenz.

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Author: Markus Reuter

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