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Verhandlungen zur Chatkontrolle: Entscheidung auf kommende Woche vertagt
Erneut gab es keine Mehrheit für den Chatkontrolle-Vorschlag der ungarischen Ratspräsidentschaft. In der kommenden Woche könnten sich aber die Minister:innen einigen – wenn nicht weiterhin genug Länder gegen die anlasslose Überwachung sind.
Der EU-Rat konnte sich erneut nicht zur umstrittenen Chatkontrolle einigen. Der Vorschlag ist damit weiterhin blockiert. Die Chatkontrolle wurde aber auf die Agenda für das nächste Treffen der Justiz- und Innenminister:innen gesetzt, das kommende Woche Donnerstag ansteht. Diese könnten dann bei einer offenen Aussprache eine Einigung erzielen. Der Vorschlag würde dann in die Trilogverhandlungen mit Kommission und Parlament gehen.
Die Abstimmung stand schon für Mittwoch auf der Tagesordnung, wurde dann aber auf heute vertagt. Die Abstimmungen im sogenannten Ausschuss der Ständigen Vertretungen sind eigentlich nur Vorbereitungen für die Treffen der EU-Minister:innen. Die ungarische Ratspräsidentschaft änderte das aber diesmal: Hätte es heute eine Zustimmung gegeben, hätte der Punkt nicht noch einmal im Rat besprochen werden müssen. Der Entwurf wäre direkt beschlossen gewesen.
Kernproblem bleibt
An dem Ratsentwurf haben schon mehrere Präsidentschaften herumgedoktert. Der aktuelle ungarische Entwurf sieht vor, dass das sogenannte „Client-Side-Scanning“ auf visuelle Inhalte und URLs beschränkt werden soll. Text- und Audioinhalte sollen nicht gescannt werden. Verschlüsselte Inhalte sollen nur gescannt werden, wenn Nutzer:innen dem zustimmen. Tun sie das nicht, könnten sie aber keine Links, Bilder oder Videos mehr in den Apps verschicken.
Das eigentliche Problem bleibt damit bestehen: Das Gesetz würde eine umfassende Infrastruktur für die Überwachung privater Kommunikation aufbauen. Das würde einen großen Schlag gegen Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation in Europa bedeuten.
Kritik hält an
Gegen die Vorschläge von Kommission und Rat gibt es deshalb schon lange breite Kritik. Der verschlüsselte Messenger Signal hatte angekündigt, sich aus Europa zurückzuziehen, wenn das Gesetz in dieser Form kommen sollte. Wissenschaftler:innen aus der ganzen Welt haben immer wieder vor dem Vorhaben gewarnt, genau so wie Verbände von Informatiker:innen. Selbst der niederländische Geheimdienst warnte vor der Chatkontrolle.
Deutschland war in der Sitzung weiterhin gegen den Vorschlag. Das hat heute Morgen noch einmal Digitalminister Volker Wissing bestätigt: „Für uns ist nach wie vor der ungarische Vorschlag nicht akzeptabel und insofern suchen wir natürlich Unterstützer, die klare Gegenpositionen auch aufzeigen“, so Wissing. Er war gestern und heute wegen einem Treffen der Telekommunikationsminister:innen in Brüssel.
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Author: Maximilian Henning