Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
Vereinte Nationen: Cybercrime-Konvention vor der endgültigen Abstimmung
Die umstrittene und von Kritikern als gefährlich eingestufte Cybercrime Convention wird im Plenum der UN-Generalversammlung abgestimmt. Die Europäische Kommission und Deutschland werden ihr zustimmen.
Heute wird die UN-Generalversammlung im Plenum über die mehrere Jahre verhandelte Cybercrime Convention abstimmen. Zahlreiche Menschenrechts- und Bürgerrechtsorganisationen hatten die Inhalte der geplanten UN-Konvention zur Computerkriminalität jahrelang scharf kritisiert.
Sie verweisen auf die Gefahr, dass die Konvention etwa in Ländern wie Russland für die Unterdrückung und Verfolgung von Oppositionellen missbraucht werden kann und dass international verbindliche Menschenrechtsnormen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Das UN-Übereinkommen sei zudem der Sicherheit im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien nicht förderlich, sondern berge sogar die Gefahr, die IT-Sicherheit zu verschlechtern und Staatstrojaner-Anbietern neue Türen zu öffnen. Es drohten auch erhebliche Gefahren wegen des starken Ausbaus von Überwachungsmaßnahmen und von grenzüberschreitendem Datenaustausch.
Internationale Menschenrechtsverbände und digitale Bürgerrechtsorganisationen hatten daher die EU und ihre Mitgliedstaaten aufgefordert, gegen den Entwurf der Cybercrime-Konvention zu stimmen.
Cybercrime
Wir berichten über die politische Seite des Cybercrime. Unterstütze uns dabei!
Aus dem Auswärtigen Amt (AA) heißt es gegenüber netzpolitik.org, dass sich die Bundesregierung im Rahmen der Verhandlungen zur UN-Cybercrime-Konvention für die feste Verankerung von Menschenrechtsstandards und Garantien eingesetzt hätte. „Gemeinsam mit der EU-Kommission, unseren EU-Partnern sowie like-minded Staaten wie den USA, Kanada, Großbritannien, Japan und Norwegen, haben wir in diesem Sinne konkrete Verbesserungen im Textentwurf erreichen können“, betont das AA.
Die Gefahr einer missbräuchlichen Anwendung sei dadurch deutlich reduziert worden. Die Versuche, wesentliche Bestimmungen der Konvention zu streichen oder zu verwässern, seien zudem verhindert worden. Das beträfe die Menschenrechtsstandards und den „Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexuellem Online-Missbrauch“, so das AA.
Die Abstimmungsentscheidung Deutschlands wird im Rahmen des Verhandlungsmandats der Europäischen Kommission auf europäischer Ebene getroffen. Deutschland wird sich an die dabei getroffene Abstimmungsentscheidung halten. Auch die US-Amerikaner wollen das Abkommen unter gewissen Bedingungen unterstützen.
„Nach wie vor äußerst mangelhaft“
Am 8. August 2024 waren die letzten inhaltlichen Verhandlungen bei den Vereinten Nationen über das internationale Abkommen beendet worden. Sollte die Abstimmung heute (mit Live-Stream, Tagesordnungspunkt 108) verlaufen wie geplant, wäre die Konvention danach ein offizieller völkerrechtlicher Vertrag unter dem Dach der Vereinten Nationen. Die nötigen vierzig Ratifikationen, um den Vertrag in Kraft zu setzen, sollten keine Probleme bereiten. Tritt der Vertrag dann in Kraft, müssen alle unterzeichnenden Staaten Überwachungs- und Abhörmöglichkeiten gemäß der Übereinkunft schaffen.
David Kaye, der ehemalige Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen für Meinungsfreiheit, nennt den UN-Vertrag trotz einiger Verhandlungserfolge der demokratischen Staaten „nach wie vor äußerst mangelhaft, sowohl in seiner Formulierung als auch in seiner Substanz“. Es sei für viele Beobachter „schockierend, dass demokratische Staaten ihn unterstützen“ würden.
Auch Tanja Fachathaler von epicenter.works, die den UN-Verhandlungsprozess für die Zivilgesellschaft über mehrere Jahre hinweg begleitet hatte, sieht die Annahme der Cybercrime Convention als offizielles Abkommen der Vereinten Nationen als ein „denkbar schlechtes Zeichen“. Zu viele Bestimmungen darin seien hochproblematisch und stünden im Widerspruch zu den Grundprinzipien der UN-Charta, erklärt sie gegenüber netzpolitik.org. Auch die geopolitische Bedeutung sei alarmierend: „Russland nennt die Konvention bereits jetzt einen erfolgreichen Blue Print für weitere Regulierungspläne, die es in der UN vorantreiben will.“
Fachathaler betont: „Es ist daher besonders wichtig, dass die Mitgliedstaaten der Europäischen Union erst einmal das Tempo reduzieren und sich in aller Ruhe die nächsten Entwicklungen ansehen, anstatt falschen Eifer an den Tag zu legen und den Vertrag schnell zu ratifizieren.“ Die EU-Mitgliedstaaten sollten zunächst betrachten, welche Staaten die Konvention besonders schnell ratifizieren und wie das Abkommen gelebt wird, wenn es einmal in Kraft ist. Vor allem aber sollten sie sich fragen, wie es um den Schutz von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht, so Fachathaler.
Sie fordert, dass sich die EU-Mitgliedstaaten aktiv für nötige Verbesserungen einsetzen sollten, wie sie seitens der Zivilgesellschaft von Beginn an gefordert worden seien. „Erst danach sollte eine neuerliche Evaluierung vorgenommen werden, ob man dem Abkommen beitreten kann und möchte.“ Dabei sollten vor allem die nationalen Parlamente in der EU ausreichend Zeit für eine genaue Prüfung bekommen.
Damit wären die Europäer nicht allein. Auch die US-Amerikaner stellen Bedingungen für ihre Unterstützung des Abkommens und wollen die Entwicklungen in der Umsetzungspraxis abwarten.
Im neuen Jahr wird eine Zeremonie zur Unterzeichnung der Konvention in Vietnam stattfinden. Das asiatische Land hatte sich als Austragungsort aufgestellt.
Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel
Author: Constanze