Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
In der Nacht zu Freitag haben sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf einen Kompromiss zum Recht auf Reparatur geeinigt. Aus Sicht der Bürger*innen sieht die Einigung zahlreiche Verbesserungen vor. Ein ebenfalls geplantes Reparaturgesetz der Bundesregierung sollte sich jetzt an Frankreich orientieren.
Maximilian Voigt arbeitet für die Open Knowledge Foundation Deutschland an den Themen Open Education und Open Hardware. Im Jahr 2022 startete er den Prototype Fund Hardware.
Im März 2023 hat die EU-Kommission neue Regeln zur Förderung von Reparaturen vorgelegt. Seitdem ist die Diskussion um ein Recht auf Reparatur europaweit im vollen Gange.
Im Oktober haben Rat und Parlaments sich mit dem Entwurf befasst und ihre eigene Position entwickelt. Nun ist es im Rahmen der Trilog-Verhandlungen gelungen, die unterschiedlichen Perspektiven zusammenzubringen. Die neue Verordnung könnte den Preis für Reparaturen deutlich senken und Praktiken unterbinden, die Reparaturen erschweren oder gar verbieten.
Darauf haben sich Rat, Parlament und Kommission geeinigt
Künftig sollen Bürger*innen von den Herstellern einfordern können, defekte Geräte im Rahmen der gesetzlichen Gewährleistung zu reparieren, statt diese zu ersetzen.
Die Unternehmen sollen verpflichtet werden, gängige Haushaltsgeräte wie Waschmaschinen, Staubsauger und Smartphones wieder instand zu setzen. Noch ist die Liste der zu reparierenden Produkte kurz. Sie soll aber langfristig um weitere Güter ergänzt werden.
Werden Produkte repariert, müssen Hersteller die gesetzlich vorgeschriebene Gewährleistung um ein Jahr verlängern. Auch sollen Nutzer*innen die Möglichkeit erhalten, für die Dauer der Reparatur ein Ersatzgerät auszuleihen.
Über dieses Recht sollen die Unternehmen die Bürger*innen aktiv informieren müssen. Auch sollen sie künftig die Kosten für Ersatzteile, die nach Ablauf der Gewährleistung anfallen, öffentlich machen. Entsprechende Ersatzteile und Werkzeuge müssen die Unternehmen dann zu einem „vernünftigen Preis” bereitstellen.
Darüber hinaus sieht die neue Verordnung die Einrichtung einer Plattform vor, die über verschiedene Reparaturmöglichkeiten informiert. Bewerben sollen diese Möglichkeiten unter anderem Reparaturgutscheine, entsprechende Kursangebote oder ein niedriger Mehrwertsteuersatz.
Noch liegt kein ausgearbeiteter Gesetzesentwurf vor, der die Details regelt. Daher sind die ersten Reaktionen – auch wenn die Einigung unter anderem ein Verbot von reparaturhinderlichen Praktiken, wie die Serialisierung von Ersatzteilen, vorsieht – nur verhalten positiv. „Das könnte ein echter Gamechanger für die Reparaturbranche sein“, sagt etwa Anna Hanisch vom NABU in einer Stellungnahme des Runden Tisches für Reparatur. „Hier kommt es auf die genaue Formulierung im Gesetzestext an, die hoffentlich keine Schlupflöcher zulässt”.
Bundesregierung arbeitet bereits an nationalem Gesetz
Damit der Gesetzesentwurf in Kraft treten kann, müssen nun noch das EU-Parlament und der Rat dem Kompromiss zustimmen. Das gilt aber als Formsache. Anschließend müssen die Einzelstaaten das EU-Recht in nationales Gesetz gießen.
Ein solches nationales „Reparaturgesetz” plant das Bundesumweltministerium (BMUV) bereits. Es soll „die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und von Reparaturanleitungen sicherstellen”, so das Ministerium in einer Antwort auf eine IFG-Anfrage der Open Knowledge Foundation Deutschland. Das Gesetz soll Hersteller unter anderem dazu verpflichten, Ersatzteile für Produkte innerhalb von 14 Tagen „zu einem angemessenen Preis“ zur Verfügung zu stellen. Das Reparaturgesetz soll noch in diesem Jahr in Kraft treten.
Frankreich ist dahingehend bereits einen Schritt weiter. Hier verpflichtet Artikel L111-4 des Verbrauchergesetzes Hersteller seit Anfang 2022 dazu, verbindlich über die Verfügbarkeit von Ersatzteilen zu informieren. Darüber hinaus müssen die Unternehmen die Fertigungszeichnung eines Ersatzteils bereitstellen. Ist ein Ersatzteil nicht mehr auf dem Markt verfügbar, können Nutzer*innen dieses dann mit Hilfe eines 3D-Druckers selbst herstellen. Für die Durchsetzbarkeit des Gesetzes fehlt allerdings noch ein Dekret, an dem derzeit gearbeitet wird.
Frankreich hat damit die Potenziale von Open Hardware für eine Kreislaufgesellschaft erkannt. Die Bundesregierung sollte daran ein Beispiel nehmen.
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Author: Gastbeitrag