Die AfD setzt im Bundestagswahlkampf auf künstliche Intelligenz. Die Agentur Tannwald Media des IB-Kaders Alexander „Malenki” Kleine soll die Inhalte realisieren. Sie wird hinter dem rechtsextremen Troll-Account „Wilhelm Kachel” vermutet.
Beobachter*innen vermuten, dass die Agentur Tannwald Media auch den Troll-Account Wilhelm Kachel betreibt. Tannwald Media spielt mit diesem Verdacht, indem sie beide Maskottchen integriert.
(Quelle: Pixabay, Wilhelm Kachel, BTN)
Die Leipziger Agentur Tannwald Media wurde nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) durch die AfD beauftragt, Teile des Winterwahlkampfs der AfD zu gestalten. Dabei will die rechtsextreme Partei ihren Wahlkampf zu großen Stücken in die sozialen Medien verlegen, um dort besonders mit Material zu werben, das durch Künstliche Intelligenz (KI) generiert wird. Und für diese KI-Inhalte für den AfD-Wahlkampf soll nun vermutlich Tannwald verantwortlich sein. Tannwald Media sei jedoch nur für die technische Umsetzung und nicht für die Inhalte verantwortlich, so der AfD-Bundesvorstand.
Generell hat KI-Werbung den Vorteil, dass sie schnell zu produzieren und kostengünstig ist, weil Grafik- und Produktionskosten wegfallen. Außerdem dienen KI-generierte Bilder und Videos zur gezielten Emotionalisierung der Konsument*innen. „KI-generierte Inhalte bieten der AfD die Möglichkeit, dichotome, stark vereinfachte Realitäten darzustellen. Komplexe Themen werden auf polemische und oft menschenfeindliche Bilder reduziert“, erklärt Una Titz, sie beobachtet für die Amadeu Antonio Stiftung rechtsextreme Online-Aktivitäten. Auf rechtsextremen KI-Bildern werden beispielsweise weiße, glückliche, heterosexuelle Familien idealisiert, während Geflüchtete aggressiv und bedrohlich dargestellt werden. „Diese visuellen Gegensätze stützen die rechtspopulistische Rhetorik, die ebenfalls auf Feindbilder und stark vereinfachte Polemik setzt.“
AfD beauftragt Rechtsextremen Alexander „Malenki“ Kleine mit KI-Wahlkampf
Allerdings ist der Gründer und Geschäftsführer von Tannwald der Leipziger rechtsextreme Alexander Kleine. Neben dem Österreicher Martin Sellner, dem Kopf der deutschsprachigen „Identitären Bewegung“, war Kleine unter seinem Pseudonym „Malenki“ vor einigen Jahren wohl eines der prominentesten Gesichter dieser rechtsextremen Gruppe aus Deutschland. Er hatte verschiedene YouTube-Formate, mit mehreren Tausend Follower*innen, ein Podcast-Projekt, erfolgreiche Social-Media-Accounts und war sogar eine Spielfigur in einem Online Game der neuen Rechten. Wegen seiner rechtsextremen Umtriebe wurde Kleine bereits im Verfassungsschutzbericht Sachsen erwähnt. Doch seit einiger Zeit hat er sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Ende 2019 gründete er dann die „Tannwald Media Unternehmensgesellschaft“. Die politisch, rechtsextreme Schlagseite versucht die Agentur auf der Website zu vermeiden, jedoch verstehe man sich als Teil „echter medialer Vielfalt und beständiger Meinungsfreiheit“. Tannwald Media gibt sich seriös, garantiert Kund*innen „absolute Diskretion und Loyalität“ und gibt Tipps zur verschlüsselten Kommunikation. Das Maskottchen ist ein süßer Comic Bär. Mal mit Holzfällermütze, mal mit Pickelhaube.
Jeremy Fragrance wirbt am Rande einer Trump Gala für Tannwald
Zwar hatte sich Malenki aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, doch vor einem Jahr, Mitte Dezember, machte Kleine wieder Schlagzeilen: In den USA posierte der Aktivist am Rande einer Spenden-Gala für Donald Trump für ein Foto mit Parfüm-Influencer Jeremy Fragrance, der einen Sticker von Tannwald in die Kamera hielt.
Die Gala am 9. Dezember 2023 für Trump besuchte Kleine in recht illustrer Runde. Die deutsche Delegation bestand aus Maximilian Krah, damals noch AfD-Europa-Spitzenkandidat, Mathilda Huss, Betreiberin des Potsdamer Landhauses „Adlon“, in dem das von Correctiv beobachtete Treffen stattfand, Christian von Hoffmeister, AfD-Politiker aus Berlin, und dessen Frau, einer Mitarbeiterin von Maximilian Krah. Außerdem in der Reisegruppe: die AfD-Abgeordneten Kay Gottschalk, Matthias Moosdorf und Jan Wenzel Schmidt, der den neonazistischen Gewalttäter und IB-Aktivisten Mario Müller in seinem Bundestagsbüro beschäftigt, David Bendels, Chef des mindestens AfD-nahen Deutschland Kuriers, der scheinbar eine enorm wichtige Netzwerk-Rolle für AfD-Ziele einnimmt und der Aktivist Maximilian Schmidt, der laut Zeit für Tannwald und David Bendels tätig ist.
Der Deutschland-Kurier, jene Zeitung, die der AfD in den Wahlkampfjahren 2017 und 2018 tausendfach gratis zur Verfügung gestellt wurde, war an jenem Abend einer der internationalen Medienpartner der Gala des „New York Young Republican Club“. Wie Fotos belegen, traf Bendels in Manhattan auf den früheren Trump-Strategen Steve Bannon und Matt Gaetz, Trumps erste Wahl als Justizminister.
Bendels und Malenki: Die AfD-Kampagnen-Männer?
Der Netzwerker Bendels und Malenkis Tannenwald sollen laut t-Online in der Vergangenheit bereits zusammengearbeitet haben. 2021 sollen beide „Grüner Mist“ verantwortet haben – eine Diffamierungskampagne gegen die Grünen. Das zumindest legen Metadaten eines PDF-Dokuments der Kampagne nahe. Die Daten deuten auf Kleines Agentur Tannwald Media als Urheber und auf Bendels, beziehungsweise die von ihm geführte „Conservare Communication GmbH“ als Auftraggeber hin. Correctiv wies über 3.500 Standorte in mindestens 50 Städten der anonym finanzierten Plakate nach. Wie so oft bei Bendels AfD-Unterstützung-Kampagnen war auch hier die Finanzierung unklar.
Also warum greift die AfD, trotz des Unvereinbarkeitsbeschluss mit IB-Aktivist*innen, nun im Wahlkampf auf Malenkis Tannwald zurück? Das Unternehmen bietet Grafikdesign, Animation, Videoproduktion und KI-Produkte an. Die Fähigkeiten im KI-Bereich vom Tannwald-Team scheinen auch dem Bundesvorstand der AfD aufgefallen zu sein, schließlich soll die Agentur die rechtsextreme Partei genau in diesem Bereich im Wahlkampf unterstützen. Tannwald hatte im Sommer 2024 bereits mit einer rassistischen Version des Partyhits „Hey, was geht ab“ für Schlagzeilen gesorgt. Im umgedichteten Text heißt es „Hey, das geht ab, wir schieben sie alle ab“. Im dazu erstellten KI-Video ist eine tanzende, weibliche, blonde Flugzeug-Crew zu sehen, die Fluggäste sind bedrohlich wirkende Männer, die offenbar einen Migrationshintergrund haben sollen. Gegrölt wurde der rassistische Partyhit unter anderem bei der AfD-Wahlparty nach der Brandenburger Landtagswahl in Potsdam.
„Wilhelm Kachel“: Rechtsextreme Propaganda mit künstlicher Intelligenz
Wenn es um das Thema rechtsextremer Propaganda durch künstliche Intelligenz geht, geht in Deutschland kein Weg an einem Akteur vorbei: Der vornehmlich auf Instagram aktive Account „Wilhelm Kachel“, mittlerweile wohl der wichtigste Meme-Creator beziehungsweise Troll-Account der Szene. Die Bilder sind immer im selben Stil mit KI-Tools wie Midjourney oder Dall-E erstellt. Das Profilbild, eine Pickelhaube, steht symbolisch für den deutsch-preußischen Militär- und Obrigkeitsstaat, das deutsche Kaiserreich und galt lange Zeit im Ausland als das Symbol der Deutschen.
Der Account nutzt KI-generierte Parolen und satirische Inhalte, um gezielt Infokrieg zu führen. Besonders bei jungen Menschen versucht der Account zu punkten, indem rechte Inhalte als cool und gegenkulturell inszeniert werden. Dies gelingt durch regelmäßiges Posten von KI-generierten Inhalten, die zeitgemäß wirken und den Anschein erwecken, dass rechte Kultur modern und rebellisch sei. Wilhelm Kachel reagiert schnell auf aktuelle Debatten, und liefert so leicht zugängliches Propagandamaterial im rechtsextremen Kulturkampf.
Optisch und inhaltlich erinnern die Bilder wohl nicht zufällig an die Propaganda-Plakate der Nazis. Muskulöse, blonde Männer, mit Seitenscheitel, zierliche Frauen mit blonden oder brünetten glatten Haaren oder Verunglimpfung politischer Gegner*innen. Auch klassisch antisemitische Bildsprache wird verwendet, wenn der bekannte Jude George Soros als Marionettenspieler politischer Akteure dargestellt wird. Der Account findet viel Zuspruch in der durchaus heterogenen rechtsextremen Szene. Reichsbürger, AfD-Politiker*innen, extrem rechte Burschenschaftler, völkische Tradwifes und neonazistische Schläger, für sie alle sind Inhalte bei Wilhelm Kachel dabei und sie teilen fleißig diese rechtsextremen Inhalte.
Steckt Malenkis Tannwald hinter Wilhelm Kachel?
Inhaltlich steht der Account mit den Kachel-Memes der rechtsextremen JA nahe, der Jugendorganisation der AfD. Mit heroischen Bildern glorifiziert der Account Björn Höcke und Donald Trump. Doch welche Akteur*innen hinter dem Account stecken, ist bisher nicht zweifelsfrei belegt. Einige Indizien deuten jedoch auf eine enge Verbindung zu Tannwald Media hin, wie bereits der Deutschland funk mutmaßte: Das Instagram-Profil von Wilhelm Kachel folgt einem einzigen Account, dem von Tannwald.
In einem Post „In eigener Sache“ erklärt das Team hinter Wilhelm Kachel im Oktober 2023: „Wilhelm Kachel begann als reines Meme-Projekt.“ Mittlerweile sei die Nachfrage, auch Dank des AfD-MdB Roger Beckamp so groß, dass man nun den Versand von Merchandise an einen externen Shop auslagere, in den „Patria Laden“ unter Leitung des IB-Kaders Daniel Sebbin. Mit jeder Bestellung zeige man, dass das Projekt Wilhelm Kachel seine Berechtigung habe, ist im Post zu lesen. „Und was noch viel wichtiger ist: Ihr unterstützt die Junge Alternative.“ „Direkt“ unterstützen könne man das Projekt jedoch auch, via Paypal., schreibt der Account im August 2024. Doch als Empfänger ist hier nicht etwa das rechtsextreme Meme-Kollektiv angegeben, sondern wieder Tannwald Media. Auch im „Unterstützen!“-Link im Instagram-Profil ist die Spendenseite für Tannwald hinterlegt.
Die Macht des Bildes
KI Inhalte dienen der Fixierung eines bestimmten Weltbildes. Sie suggerieren Beweise, die in Wirklichkeit nicht existieren. „Es handelt sich um gezielte Desinformation, die eine alternative Wirklichkeit etablieren soll“, so Una Titz. Außerdem werde die Wahrnehmung von Realität und Wahrheit systematisch untergraben. „Die Botschaft dahinter lautet: ‚Ihr könnt nichts mehr vertrauen – alles könnte Fake sein. Aber unser Fake ist wenigstens ehrlich.’ Diese Strategie ist besonders perfide, weil sie auf den Verlust von Orientierung und Vertrauen abzielt“, warnt Titz.
Obwohl die Identitäre Bewegung weiterhin auf einer Unvereinbarkeitsliste der AfD steht, wird jedoch offenbar ein führender Kader mit dem AfD-Wahlkampf betraut. Konsequenzen wird das wohl kaum haben, schließlich hat die Partei an allen Ecken und Enden rechtsextreme und verfassungsfeindliche Mitarbeiter*innen. Das Beispiel von Tannwald belegt allerdings eindrücklich, dass sich das Netzwerk der sogenannten neuen Rechten mit den Jahren immer mehr professionalisiert hat. Besonders die IB hat seit Bestehen verstanden, welche Macht Bilder haben. Regelmäßig finden Schulungen für den Nachwuchs statt – auch in der Verwendung von künstlicher Intelligenz. Mittels KI werden Fiktionen als Realität verkauft, um ein gewünschtes Narrativ zu etablieren. Gleichzeitig wird das Vertrauen in die Realität schrittweise abgebaut, indem suggeriert wird, dass nichts mehr als wahr gelten kann.
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