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Stecken hinter dem Habeck-Angriff auf der Fähre Rechtsextreme?

Gestern Abend attackierte ein wütender Mob die Fähre, auf der Robert Habeck und seine Familie aus dem Urlaub wiederkamen. Die Aktion wurde offenbar in rechtsextremen Gruppen organisiert – doch da auch Landwirte dem Aufruf folgten, hält sich in den Medien die Behauptung, es handle sich lediglich um verärgerte Bauern. In Wahrheit ist es unwahrscheinlich, dass hier wirklich nur ein paar enttäuschte Menschen Kritik üben wollten. Dagegen sprechen die komplett abwesende Diskussionsbereitschaft und die Tatsache, dass Habeck wohl gar nicht die richtige Ansprechperson wäre – aber auch erste Ergebnisse von Hintergrundrecherchen, die wir in diesem Artikel veröffentlichen.

Der Habeck-Mob und die Hintergründe: Soviel ist bislang bekannt

Der Hintergrund für die Bauernproteste in den letzten Wochen lagen tatsächlich in einer politischen Entscheidung.

Der Rechnungsprüfungsausschuss des Parlaments hat im Dezember beschlossen, dem Bundestag zu empfehlen, Subventionen für Agrardiesel zu streichen. Dies geht wiederum auf eine Empfehlung des Bundesrechnungshofs zurück. Die Zustimmung erfolgte einstimmig. Im Ausschuss sind Vertreter der Parteien AfD, CDU, SPD, Grüne und FDP vertreten, die dem Beschluss also alle zugestimmt hatten. Die AfD bestätigte auf Abgeordnetenwatch sogar, dem Beschluss zugestimmt zu haben. Seitdem kommt es allerdings zu Protesten von Bauern gegen die Kürzungen. Doch was hat nun Habeck damit zu tun?

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) wollte am gestrigen Abend mit der Fähre von seinem Urlaub an der Nordsee zurückkehren. Am Fähranleger in Schlüttsiel kam es zu Protesten. Eine Minderheit der Protestierenden versuchte dabei, die Fähre zu betreten und konnte nur mit Pfefferspray aufgehalten werden.
Hier sieht man, wie Polizist*innen in höchster Not die Extremisten am Stürmen der Fähre hindern:


Trotz dieser Situation gab es ein Angebot von Habeck, persönlich mit einzelnen Teilnehmern des Protests zu sprechen. Dieses wurde von den Protestierenden allerdings abgelehnt. Warum wollten sie also auf die Fähren gelangen, wenn es ihnen nicht um Dialog ging?

Danach legte die Fähre dann wieder ab. Laut Sprecher der Reederei gerade rechtzeitig: „Wenn diese Entscheidung eine Minute später getroffen worden wäre, dann wäre die Fähre gestürmt gewesen“.

Dass der angebliche Grund, die Kürzungen von Subventionen, bereits Stunden zuvor teilweise zurückgenommen worden war, hätte einen schon stutzig machen sollen. Warum eskalieren diese irren Extremisten eigentlich gerade jetzt?

Gleichzeitig distanziert sich auch der Bauernverband in klaren Worten von dem Protest: „Persönliche Angriffe, Beleidigungen, Bedrohungen, Nötigung oder Gewalt gehen gar nicht. (…) Blockaden dieser Art sind ein No-Go.“ Auch CDU Politiker verurteilen die Gewalt:

Diese versuchte Attacke auf den Wirtschaftsminister ist für sich genommen schon erschreckend genug, da sind sich alle einig. Doch tatsächlich wird es noch viel schlimmer. Denn es waren offenbar nicht nur enttäuschte Landwirte, die ihren Frust abgelassen haben. Aktuell zeigen sich immer mehr Indizien, dass die Proteste der Landwirte mittlerweile stark von bekannten Rechtsextremen unterwandert sind.

Organisation des Habeck-Mobs offenbar in rechtsextremen Telegram-Gruppen

Denn ein solcher Protest, so spontan er auch wirken mag, passiert natürlich nicht zufällig. Wir können nicht komplett nachvollziehen, wie die Organisationsstruktur abläuft, doch Quellen aus dem rechtsesoterischen und rechtsextremen Umfeld legen nahe, dass offenbar ein Angestellter der Unterkunft die Information durchstach, dass Robert Habeck mit Familie auf Hallig Hooge im Urlaub war. Über WhatsApp-Gruppen wurden offenbar einzelne Bauern darauf aufmerksam. Doch die große Mobilisierung selbst geschah tatsächlich in rechtsextremen Telegram-Gruppen.

Hier ein paar Beispiele:

Die „Freien Schleswig-Holsteiner“, die wegen ihrer Ablehnung der Demokratie sogar im Verfassungsschutzbericht 2022 von Schleswig-Holstein (S.67) auftauchen, gehörten am Nachmittag zu den Ersten, die zur Aktion aufriefen:

Einer derjenigen, die als Erstes zur Demo aufriefen, hält sich laut Informationen von Lars Wienand (t-online) sonst regelmäßig in den Chats vom rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner, lange Sprecher der Identitären Bewegung Österreich, auf:

Darüber hinaus werden im Kanal „Bauer&Verbraucher geeint“, der viele Veranstaltungen der Bauernproteste organisiert, sowie den regionalen Ablegern immer wieder Demo-Aufrufe einschlägig bekannter rechtsextremer Gruppen geteilt. Diese Indizien decken sich mit den Recherchen einer Hamburger antifaschistischen Informationsplattform, wonach die Kanäle von bekannten Figuren der „Reichsbürger“-Szene (mit-)gesteuert werden.

Weitere Informationen dazu auch in diesem Thread von „Gegen die AfD“:

Proteste der Landwirte missbraucht – Rechtsextreme feiern sich dafür

Wenig überraschend sind es dann auch einschlägige rechte Kanäle, die die gewaltsame Aktion am Fähranleger feiern und ihre Unterstützung ausdrücken. So beispielsweise die rechtsextreme Kleinstpartei „Freie Sachsen“:

Und genau das ist der Punkt, der in der medialen Debatte noch nicht genug betont wird. Die versuchte gewaltsame Erstürmung der Fähre, auf der Habeck unterwegs war, war eine von Rechtsextremen organisierte Aktion. Landwirte und Bauern spielen da nur am Rande eine Rolle.

Sicherlich gibt es auch unter Landwirten einige, die rechtsextrem sind. Die meisten sind es jedoch nicht, wie wir gesehen haben. Dennoch ist es jetzt die Pflicht der Bauernverbände, das auch klar und deutlich so zu kommunizieren. Sie haben selbstverständlich das Recht zu protestieren und die Missstände anzuklagen, die es seit Jahren in der Landwirtschaft gibt. Gleichzeitig haben sie aber auch die Pflicht dazu, dabei friedlich zu bleiben, Gewalt klar abzulehnen und vor allem: Sich von jeglichem Extremismus, der versucht, die Proteste zu vereinnahmen, zu distanzieren.

Wenn sich allerdings Verbände von Landwirten, wie zum Beispiel der Bayerische Bauernverband, dazu hinreißen lassen, diese extremistischen Figuren, die ihre Bewegung unterwandern, zu legitimieren und irrsinnigerweise die Schuld für die Eskalation am gestrigen Abend bei Robert Habeck suchen (obwohl er es war, der den Protestierenden Gesprächsangebote gemacht hat!), können wir sie hier nicht mehr in Schutz nehmen. Denn dann machen sie sich mitschuldig an der Spaltung der Gesellschaft, die sie doch eigentlich überwinden wollen.

Und Apropos Spaltung: Was macht eigentlich die AfD gerade so?

Geheuchelte Solidarität: AfD widerspricht insgeheim den Bauernprotesten

Die AfD versucht seit Wochen, die Proteste der Bauern anzuheizen und sie zu radikalisieren. Viele der radikalsten Plakate, die ihr in letzter Zeit in sozialen Medien gesehen habt, stammen gar nicht von Bauern, sondern von der AfD. So verbreitete ein AfD Kreisverband dieses KI-generierte Foto:


Hier sieht man: Die AfD möchte gern die Proteste vereinnahmen. Das Bild zeigt nicht die Wirklichkeit der Bauernproteste, sondern, was die AfD gern hätte. Denn was man nicht vergessen darf: In der Realität ist die AfD unter den echten Landwirten, die hart für unsere Ernährung arbeiten, sogar ziemlich unbeliebt, wie aus Daten der letzten Bundestagswahl hervorgeht:

Quelle im Bild verlinkt

Und diese Ablehnung der Landwirte hat auch handfeste Gründe. Die AfD stimmte wie gesagt selbst gegen die Dieselsubventionen – und das passt auch zur Linie der Partei. Denn die Partei ist nicht nur in diesem einen Fall, sondern sogar ganz grundsätzlich gegen Subventionen, wie aus ihrem Grundsatzprogramm hervorgeht:

Das gilt ganz explizit auch für die Landwirtschaft:

Fazit: Demokraten müssen sich gegen gewaltsame Eskalation stellen

Wir möchten es hier noch einmal betonen: Die Kritik, die wir in diesem Artikel üben, richtet sich nicht an „die Landwirte“. Die allermeisten landwirtschaftlich Beschäftigenden sind normale, demokratisch denkende Menschen, die wenn, dann friedlich protestieren. Sie sind damit nicht nur aufgrund ihrer eigenen Tätigkeit, sondern auch als Teil der Zivilgesellschaft enorm wichtig. Uns geht es hier vielmehr darum, diese Menschen (und auch alle anderen) vor einer ernsthaften Bedrohung zu warnen. Diese Bedrohung sind Rechtsextreme, die seit Jahren immer wieder verzweifelt versuchen, auf jede Protestbewegung aufzuspringen und sie ihren Zielen zu unterwerfen. Genau das versuchen sie gerade auch mit den Protesten der Landwirte – wie wir spätestens mit der Eskalation gegen Habeck sehen.

Diese gewalttätige Infiltration der Proteste schadet nicht nur den Zielen der Landwirte. Sie sorgt auch dafür, dass der Raum für diejenigen, die wirklich ernsthaft an konstruktiver Kritik gegen die Regierung interessiert sind, immer enger wird. Damit gefährden sie unsere gesamte Demokratie – wenig überraschend, denn ihr Ziel ist ja oft die Abschaffung derselben. Dagegen sollten sich alle Menschen, denen etwas an der Demokratie liegt, stellen. Nicht nur die Landwirte, deren Interessen von den Rechtsextremen ohnehin nicht ehrlich vertreten werden. Aber aktuell sind eben gerade auch die Landwirte gefordert, klar zu trennen zwischen legitimem Protest und demokratiefeindlicher Eskalation.

Leider wäre es auch nicht das erste Mal, dass Rechtsextreme zivilgesellschaftliche Protestaktionen unterwandern. Wir berichteten zum Beispiel schon 2022 vom Fall Truckerproteste in Kanada:

Artikelbild: Screenshot twitter.com

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