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Sprit ist nur kurzzeitig relativ billig – das ist der Grund

Der Ölpreis sinkt gerade – minimal. Das freut fossile Autofahrer. Und die BILD. Es wird aber wohl nur bei einer kurzen Atempause bleiben. Seit der hitzigen Diskussion um den Tankrabatt gab es keinen großen Aufschrei um den Spritpreis, die Ende letzten Jahres nach den Peaks nach der russischen Invasion der Ukraine wieder auf ein niedrigeres Niveau gefallen waren. Aber sie sind immer noch auf Vorkriegsniveau.

Quelle ADAC

Damals wurde über Lindners Tankrabatt gespottet, der anscheinend wirkungslos verpuffte. Damals zeigten wir aber bereits auf, dass Lindner da tatsächlich auch ein wenig Pech hatte, denn die Effekte des Rabatts auf den Spritpreis verpufften aufgrund von anderen Faktoren. Das zeigte zwar auch, warum Tanken Subventionieren keine schlaue Idee war, aber nicht aus den Gründen, die viele Kritiker anbrachten:

Preise steigen und es ist nicht das Feindbild, was du denkst

Der Grund ist der gleiche, warum der Spritpreis bald wieder steigen könnte. Und ja, in einer globalisierten Welt gibt es selten einfache Antworten auf ein komplexes Netz aus Faktoren. Wer dir ein einfaches Weltbild präsentiert, seien es „Grüne“ oder „Ausländer“, will deine Wut über echte Probleme für seine eigenen Zwecke instrumentalisieren.

Gas und Strom sind viel teurer geworden. Im zweiten Halbjahr 2022 sind die Gaspreise noch mal weiter gestiegen: Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 36,7 %, beim Strom immerhin auch 6,4 %. 2022 stiegen auch die Mieten um fast 5 % und sollen 2023 weiter steigen. Bei einer Inflation von 7,2 % gab es einen Anstieg von 3,5 % bei den Verbraucherpreisen für Energie und 22,3 % bei den Verbraucherpreisen für Nahrungsmittel. Alles ist teurer geworden. Und gleichzeitig sinken die Reallöhne der Deutschen um 4 %. 2023 sinken sie wohl noch weiter, während die Preise weiter steigen sollen.

WÄHRENDDESSEN:

Der Ölkonzern Exxon berichtet Rekordgewinne von 56 Milliarden Dollar 2022. Auch Ölriese BP verzeichnete 2022 so viel Gewinn wie noch nie von knapp 26 Milliarden Euro und schüttete 14 Milliarden Dollar an seine Anteilseigner aus. Auch Chevron macht den höchsten Gewinn seiner Geschichte von 35,5 Milliarden Dollar. Der deutsche Konzern RWE verzeichnet Rekordgewinne und verdoppelt seinen Konzernüberschuss dank hoher Strompreise.

Shell hatte seinen Gewinn 2022 verdoppelt. Vattenfall hat seinen Umsatz um fast zwei Drittel erhöht. Die fünf größten Ölfirmen weltweit verzeichneten Rekordgewinne und machten einen aufsummierten Profit von über 200 Milliarden Dollar. Da gibt es übrigens nich mehr: Deutsche Bank und Mercedes haben im 3. Quartal 2022 ihren Gewinn versechsfacht. Dax-Konzerne zahlten Rekord-Dividenden von 55 Milliarden Euro und werden die Auszahlungen 2023 noch mal auf 75 Milliarden Euro steigern. 

Warte, haben wir nicht Krise?

Während du dich daran gewöhnt hast, dass Krise ist und alles verdammt teuer wurde, verdienen einige jede Menge Geld und haben profitable Zeiten. Die, die in (fossiler) Energie handeln. Klar, eine Antwort ist natürlich Putin, sein Angriff auf die Ukraine und dass er uns das (direkte) Gas abgedreht hat. Und seinen Krieg weiter mit Gas finanziert. Da liegt der Ursprung:

Was man seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs beobachten konnte, war tatsächlich eine Entkopplung von Ölpreis und Spritpreis. „Weder der Rohölpreis noch der Dollar rechtfertigen Spritpreise in dieser Höhe“, sagte eine ADAC-Sprecherin. „Wir sehen seit Monaten eine Entkopplung von Rohölpreis und Raffinerie- bzw. Tankstellenpreisen“, sagt Andreas Mundt, der Präsident des Bundeskartellamts im Juni 2022.

Die Branche machte 2022 Rekordeinnahmen und schwimmt in Geld. „Nach unseren Berechnungen hat die internationale Öl- und Gasindustrie in vergangenen Jahren 1,5 Billionen Dollar Umsatz per annum gemacht. Aber für dieses Jahr erwarten wir Erlöse von rund 4 Billionen Dollar.“ sagt der Chef der Internationalen Energieagentur schon 2022. 2023 ging das weiter.

Laut Saudi-Arabiens Energieminister gibt es einen extremen Anstieg der Gewinnspannen von Raffinerien, der die Preise für Diesel und Benzin in die Höhe treibt. Ihre Gewinnmargen seien schon 2022 650 % höher als im Durchschnitt der letzten fünf Jahre. Das liegt an verschiedenen Faktoren. Grundsätzlich ist Unsicherheit ein gutes Mittel, um Preise zu erhöhen. Ein immer länger werdender Krieg, eine sich wandelnde Weltpolitik, aufbrechende Bündnisse und Risiken sind genau solche Unsicherheiten.

OPEC+ HAT DAS ENDE VOM ÖL GESEHEN

Um das zu verstehen, müssen wir ein bisschen den Hintergrund klarmachen und in die Geschichte zurückgehen. Dazu muss man erst einmal wissen, dass der Öl- und der Spritpreismarkt fundamental kaputt sind. Sie sind extrem von Marktversagen betroffen. Ein Öligopol sozusagen. Das gilt in Deutschland (Fünf Mineralölkonzerne beherrschen zwei Drittel des Marktes), aber auch international. Die Schlüsselorganisation ist OPEC+. 23 Öl-exportierende Länder (darunter Russland) treffen sich jeden Monat in Wien und legen den weltweiten Ölpreis quasi fest. Und das, indem sie die geförderte Menge regulieren. Weniger Angebot bei gleicher Nachfrage (die wegen unserer dämlich selbstverschuldeten Abhängigkeit sehr unflexibel ist) bedeutet höhere Spritpreise.

Der Ursprung der hohen Öl- und damit Spritpreise liegt weiter zurück als der Ukraine-Krieg. Und zwar in der Pandemie. Wegen der plötzlich weltweit eingebrochenen Nachfrage ist im April 2020 der Ölpreis das erste Mal in der Geschichte negativ gewesen. Es war nur ein kurzer Schock, man hat die Förderung schnell massiv zurückgeschraubt und dann nur langsam wieder hochgefahren. Doch das internationale Ölkartell hat die Zukunft gesehen. Mit der (auch viel zu langsamen) Umstellung auf eine post-fossile Zeit und einem absehbaren Ende der Exporte aus Russland wissen sie, dass ihre Zeit rum ist. Das Ende des Verbrennungsmotors wurde von der EU beschlossen. Und nicht nur Deutschland macht sich auf die Transformation zu billigen Erneuerbaren gefasst.

Die Ölkonzerne haben aufgehört, in die Zukunft zu investieren. Neuinvestitionen sind auf historisch niedrigem Niveau, der Energiesektor ist beim S&P 500 derjenige, der am schlechtesten performed. Anders ausgedrückt: Energieaktien haben so stark an Wert verloren, dass sie heute nur noch 4,1 % des S&P 500 Aktienindex ausmachen, gegenüber 12,3 % im Jahr 2011. Die Weltwirtschaft bereitet sich auf ein Ende der fossilen Energien vor. Zumindest auf der Fossilseite, die Investitionen für grüne Energien hinken noch gewaltig hinterher – auch ein Grund für steigende Preise übrigens. (Und hier versteckt sich schon die mittelfristige Lösung für unser Problem, dazu aber später). Sie kassieren jetzt nur noch, solange es geht.

OPEC+ streitet gerade

Jetzt die Tage hätte ein neues Treffen von OPEC+ stattfinden sollen, das wohl Saudi-Arabien verschoben hat. Deren „Problem“: Der Ölpreis fällt. Brent-Öl fiel am Mittwoch auf 78,48 Dollar. Im September war es noch für knapp 100 Dollar pro Fass gehandelt worden. Das ist für dich und den Spritpreis eine gute Nachricht, aber für diejenigen, die mit dir noch Kasse machen wollen, schrecklich. Saudi-Arabien ist unzufrieden, dass Öl billig ist. Dabei haben sie erst vor drei Monaten extra künstlich die Produktion gedrosselt, um den Preis teuer zu halten. Ja, wirklich.

Erklärtes Ziel: Die Ölpreise zu steigern. Das hat aber nur etwas geklappt. Auch wegen schwacher Weltwirtschaft und schwächelndem China. Auch Russland möchte die Produktion bremsen, um Kohle zu machen. Oder halt Öl, du weißt schon. Das Problem: Andere bei OPEC+ wollen aber nicht mitziehen, und Marktanteile gewinnen, in dem sie mehr Öl fördern. Geht es nach Saudi-Arabien (und Russland), wird der Spritpreis bald wieder stark steigen. Und wäre auch derzeit viel niedriger.

Der niedrige Spritpreis bleibt also eher temporär: Die Energy Information Administration, die US-Energie-Behörde, erwartet steigende Preise: „Wir prognostizieren einen Anstieg des Brent-Preises von durchschnittlich 90 Dollar im vierten Quartal 2023 auf durchschnittlich 94 Dollar in der ersten Hälfte 2024.“

Alles wird teurer, nur damit Russland, Saudi-Arabien & Co noch mal gut Geld machen

Auch weil Russland als eines der wichtigsten Länder von OPEC+ natürlich enorm von den hohen Preisen profitiert – macht es ihnen eine Verlängerung des Krieges möglich. 45 % des Staatshaushalts Russland wurde 2021 über den Verkauf von Öl und Gas finanziert. Russland kann ziemlich buchstäblich den Krieg gegen die Ukraine finanzieren, weil es so viel Öl und Gas verkauft – als drittgrößter Produzent der Welt.

Doch abgesehen von der politischen Dimension ist klar: OPEC+ mit ihrem 40 % Weltmarktanteil produzieren weniger Öl, als sie könnten. Die Saudis erklären das damit, dass sie nicht vom Westen kommandiert werden wollen, andere Länder kommen nicht hinterher, weil die Investitionen ausblieben und die Instandhaltung seit 2020 vernachlässigt wurde.

Kurzzeitig sinkende Preise werden da wohl kein umkehrender Trend sein, sondern eine kurze Verschnaufpause – bis die Nachfrage weiter steigt und OPEC+ die Produktion weiter drosselt. Wenn der Sprit also teuer ist und bald wieder teurer werden sollte – und damit auch alle anderen Energiepreise, die von fossilen abhängig sind – sind nicht die Grünen oder die Ampel schuld. Eine Lösung kennt sogar die BILD:

Kartellamt entmachtet

Es gibt nicht wirklich einen freien Markt beim Spritpreis und das Kartellamt, das dafür sorgen sollte, ist entmachtet. 2013 gab es eine gravierende Änderung, die das Bundeskartellamt folgendermaßen beschreibt:

„Seit dem 31. August 2013 sind Unternehmen, die öffentliche Tankstellen betreiben oder über die Preissetzungshoheit an diesen verfügen, verpflichtet, Preisänderungen bei den gängigen Kraftstoffsorten Super E5, Super E10 und Diesel „in Echtzeit“ an die Markttransparenzstelle für Kraftstoffe (MTS-K) zu melden. Diese gibt die eingehenden Preisdaten an Anbieter von Verbraucher-Informationsdiensten zum Zwecke der Verbraucherinformation weiter.“

Quelle

Diese Änderung galt der Transparenz, Verbraucher sollten die Möglichkeiten bekommen, entsprechende Apps und Webseiten zu nutzen, die ihnen die aktuellen Tankstellenpreise anzeigen. Seitdem wird die Datenschnittstelle der MTS-K fleißig genutzt, die frühere „Spionagearbeit“ des Tankstellenpächters entfällt und auch jeder Konzern kann die Preise des Wettbewerbs beobachten, analysieren und für die Preiskalkulation nutzen. Also Win-Win für Pächter und Konzerne. Das Kartellamt hat sich, wie es mittlerweile aussieht, in diesem Thema in Funktion und Handlungsoptionen selbst abgeschafft.

ÖLKARTELL ZERSCHLAGEN? EIN FDPLER SCHLÄGT ES VOR

Klar ist: Wir müssen uns so schnell wie möglich von Öl und Gas abnabeln. Nicht nur wegen der Klimakrise, die wir seit Jahrzehnten verschlafen haben. Auch um unsere Verbraucher vor dem internationalen Ölkartell zu schützen, dem sie ausgeliefert sind. Und das jetzt offenbar versucht, so viel Profit rauszupressen, wie es noch geht. Doch das geht nicht von heute auf morgen. Massive Investitionen in Erneuerbare Energien (und nicht mehr Abstandsregelungen mit Stimmen der rechtsextremen AfD!), den ÖPNV, die Bahn und Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge muss her.

Zur Ehrenrettung seiner Partei ist es ausgerechnet ein FDP-Politiker, der eine drastische Lösung schon letztes Jahr ins Spiel brachte. Der baden-württembergische FDP-Chef Michael Theurer forderte eine Zerschlagung der Mineralölkonzerne – als letzte Möglichkeit. „In der aktuellen Entlastungsdiskussion dürfen wir nichts ausschließen. Entscheidend ist, dass der Tankrabatt bei den Deutschen ankommt“. „Der Bund sollte hier vorangehen.“ Im Koalitionsvertrag habe die Regierung eine „missbrauchsunabhängige Entflechtung“ auf verfestigten Märkten stehen. Das bedeute nichts anderes als eine Zerschlagung.

Wer hier von „Sozialismus“ schreit, liegt völlig daneben. Genau das Gegenteil. Wo Marktversagen vorliegt, muss durch ein Brechen der Kartelle der Markt befreit werden. Es ist also die marktliberalste Position von allen: Den Wettbewerb sichern, statt das Öligopol zu füttern. Theurer hält das für sinnvoller als eine Übergewinnsteuer. „Eine Zerschlagung dort, wo Wettbewerb verhindert wird, ist ein urmarktwirtschaftliches Prinzip. Selbst im Mutterland des Kapitalismus, den USA, sind Zerschlagungen seit 100 Jahren möglich“, sagte er. Man muss dazu auch wieder das Kartellamt zu einer Institution machen, die überhaupt irgendetwas machen könnte.

Mehr Erneuerbare sind die Lösung

Die „Grünen“, „die FDP“ oder die ganze Ampel sind hier nicht wirklich das Problem, wenn du viel für Sprit und Energie zahlen musst. Auch wenn sie viel mehr machen könnten, um die Energiewende zu vollziehen. Es ist wie so oft ein komplexes Netz aus Faktoren, aus dem internationalen Markt, Putin, Saudi-Arabien – und den Oligopolen der fossilen Energie. Warum wird vieles so teuer? Die Hälfte der Inflation in der Eurozone 2022 geht auf fossile Energiestoffe zurück, überwiegend auf das Konto von Gas.

Grafik via

Eines der effektivsten Dinge, die den Strompreis senken und deine Energie billiger machen, sind Erneuerbare. Zwischen 2021 und 2023 sparen EU-Bürger 100 Milliarden Euro nur dank dem Zubau von Wind und Sonne. Jetzt werden E-Autos immer billiger. Und Wind und Solar sind jetzt schon die billigsten Formen der Energieerzeugung und werden immer günstiger. Und man kann sie direkt in Deutschland oder sogar auf seinem eigenen Dach installieren.

Kein OPEC+, keine globalen Krisen, sondern billiger Strom vom eigenen Balkon. Fest steht: Wir müssen schnell weg von Fossilen. Nicht nur wegen dem Klima. Sondern auch für deinen Geldbeutel. Vielleicht warst du zu wütend auf die falschen Grünen?

Artikelbild: shutterstock.com

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Da waren aber dieses mal schöne lebensmittel in der brandnooz box. Für jede richtig beantwortete frage bekommt hugo egon balder fünf torten – allerdings in sein gesicht.