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„Sicherheitspaket“ der Bundesregierung: Überwachung, wie sie Bürger erwarten

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

“Sicherheitspaket” der BundesregierungÜberwachung, wie sie Bürger erwarten

Nach der Messerattacke von Solingen schlägt die Ampel einen Überwachungskurs ein. Sie plant ein Sicherheitspaket mit mehr Gesichtserkennung, Big-Data-Analysen und anlasslosen Kontrollen.


Daniel Leisegang, Tomas Rudl – in Überwachungeine Ergänzung
Anja Hajduk (Grüne), Marco Buschmann (FDP) und Nancy Faeser (SPD) bei der heutigen Pressekonferenz zum Sicherheitspaket. (Screenshot YouTube)

Überraschend schnell hat sich die Bundesregierung auf ein sogenanntes „Sicherheitspaket“ nach dem Messerattentat in Solingen geeinigt. Gemeinsam stellten Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) und Anja Hajduk, Staatssekretärin im Bundeswirtschaftsministerium (Grüne) heute Nachmittag ein weitreichendes Maßnahmenbündel vor.

Vor allem in drei Bereichen will die Regierung „mit der notwendigen Härte“ auf das Attentat reagieren, wie es in der Pressekonferenz am heutigen Donnerstag hieß. Erstens plant sie, das Waffenrecht zu verschärfen. Zweitens will sie den Islamismus stärker bekämpfen. Drittens strebt sie an, die Ausreisepflicht für abgelehnte Asylbewerber:innen zu verschärfen und stärker durchzusetzen. Bereichsübergreifend sollen die Polizei- und Ermittlungsbehörden sowie das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) mehr Befugnisse erhalten.

Bei einem Volksfest in Solingen hatte am Samstag ein 26-Jähriger Mann drei Menschen mit einem Messer getötet und mehrere verletzt. Marco Buschmann betonte in der Pressekonferenz heute die Einigkeit innerhalb der Koalition. Nach der Tat sei es angebracht gewesen, „ohne Tabuzonen“ ein „ideologiefreies Gespräch“ zu führen. „Die Bürger erwarten das von uns“, betonte der Justizminister mehrfach.

Innenministerin Faeser kündigte an, die Regierung werde die Maßnahmen so schnell wie möglich umsetzen. Gemeinsam würden die Minister:innen ein gemeinsames Artikelgesetz erarbeiten und „zeitnah“ vorlegen.

Gesichtserkennung: Buschmann gibt Widerstand auf

Einige der vorgestellten Maßnahmen sind bereits im jüngst vom Bundesinnenministerium (BMI) vorgestellten Entwurf für ein neues BKA-Gesetz enthalten. Vor dem Attentat hatte Buschmann sich noch gegen diesen ausgesprochen, offenkundig trägt der FDP-Politiker die neuen Vorschläge nun aber mit.

Demnach sollen Ermittlungsbehörden die Befugnis zum biometrischen Abgleich von allgemein öffentlich zugänglichen Internetdaten („Gesichtserkennung“) erhalten, um die Identifizierung von Tatverdächtigen oder gesuchten Personen zu erleichtern. Dabei sollen datenschutzrechtliche Auflagen sowie die KI-Verordnung beachtet werden. Ein Abgleich in Echtzeit wäre demnach nicht möglich, ein leicht zeitverzögerter jedoch schon.

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20 Euro für 20 Jahre

Es sei ein „Anachronismus, dass das bislang nicht erlaubt war“, sagte Wirtschaftsstaatssekretärin Anja Hajduk auf der heutigen Pressekonferenz. Die Regierung plane nun eine „zeitgemäße Regelung“. Dies gelte auch für die neuen, noch unscharfen Maßnahmen für die Terrorismusbekämpfung im Finanzbereich. Zumindest sollen die Befugnisse des Verfassungsschutzes für Finanzermittlungen „verbessert“ werden, heißt es im Maßnahmenpapier.

Big-Data-Analysen für alle

Marco Buschmann sagte, dass das derzeit diskutierte Messerverbot solche Taten wie am vergangenen Wochenende nicht verhindern werde. Daher brauche es mehr Befugnisse für die Ermittlungsbehörden.

Dazu zählt auch die Einführung von Palantir-artigen Big-Data-Analysen. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht dem gewisse Grenzen gesetzt, diese will die Regierung nun ausloten. Ziel ist es, dass dem BKA und der Bundespolizei fortan eine automatisierte Analyse polizeilicher Daten sowie eine KI-gestützte Auswertung erlaubt ist, ebenso das Testen und Trainieren von Daten für KI-Anwendungen.

Auch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) soll dahingehend neue Befugnisse erhalten. Dem Amt soll der biometrische Abgleich von Internetdaten gestattet werden, insbesondere um Identitäten von Schutzsuchenden feststellen zu können, heißt es in dem Maßnahmenpapier.

Buschmann betonte, dass „der Prozess der Abschiebungen“ durchleuchtet werden müsse. Ziel sei es, schneller abzuschieben – auch nach Afghanistan und Syrien. Im Bereich der Migrationspolitik müsse endlich „Realismus Einzug erhalten“, so der Minister.

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20 Euro für 20 Jahre

Messerverbot und anlasslose Kontrollen

Darüber hinaus will die Bundesregierung die Regelungen zum individuellen Waffenrecht verschärfen. Auch hier hat Buschmann in den vergangenen Tagen eine Kehrtwende vollzogen.

So plant die Regierung ein generelles Verbot von Springmessern sowie ein absolutes Messerverbot bei Volksfesten, Sportveranstaltungen und ähnlichen öffentlichen Veranstaltungen. Die Forderung nach dem Messerverbot stand in den vergangenen Tagen im Fokus der öffentlichen Debatte.

Außerdem sollen die Länder rechtlich in die Lage versetzt werden, absolute Messerverbote an sogenannten kriminalitätsbelasteten Orten wie etwa Bahnhöfen einzuführen. Dies würde mit verdachtsunabhängige Personenkontrollen an solchen Orten einhergehen. Auch im öffentlichen Nahverkehr soll es fortan bundeseinheitliche Messerverbote geben. Um die Regelungen durchzusetzen, sollen die Länder erweiterte Kontrollbefugnisse erhalten.

Die Bundespolizei soll durch eine Änderung des Bundespolizeigesetzes ebenfalls dazu befugt werden, „stichprobenartig verdachtsunabhängige Kontrollen durchzuführen“. Die Bundesregierung will zudem rechtlich klarstellen, dass Vollzugsbeamte des Bundes Elektroschockpistolen, sogenannte Taser, nutzen dürfen.

Regierung will DSA verschärfen

Darüber hinaus will sich die Bundesregierung auf EU-Ebene für eine Verschärfung des Digital Services Act (DSA) einsetzen. So soll durch das „Benennen konkreter Straftatbestände wie das Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen und Volksverhetzung“ eine bessere Bekämpfung strafrechtlicher Inhalte auf Online-Diensten gelingen.

Inwiefern es hierbei eine Verschärfung braucht, bleibt unklar. Illegale Inhalte müssen von Online-Diensten ohnehin entfernt werden, sobald sie darauf aufmerksam gemacht werden. Zudem hat die EU noch vor dem DSA zwei Gesetze gegen Terrorpropaganda beschlossen, die genau auf solche Inhalte abzielen.

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Author: Daniel Leisegang

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