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Selbstbestimmungsgesetz: Keine Datenweitergabe an den gesamten Sicherheitsapparat
Am Freitag soll der Bundestag über das Selbstbestimmungsgesetz entscheiden. Dass Änderungen von Namen und Geschlecht automatisch an bis zu zehn Behörden gemeldet werden sollen, ist gestrichen. Aber die Datenweitergabe könnte nur aufgeschoben sein und an anderer Stelle wieder auftauchen.
Bundeskriminalamt, Zoll und Geheimdienste sollen nicht automatisch informiert werden, wenn Personen ihren Namen und Geschlechtseintrag ändern. Ein entsprechender Abschnitt aus dem Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz wurde gestrichen. So steht es im Änderungsantrag, der gestern im zuständigen Familienausschuss beschlossen wurde und über den am Freitag im Bundestag abgestimmt wird.
In dem Dokument heißt es zum entsprechenden Abschnitt:
Die Regelung zur automatisierten Datenweitergabe in § 13 Absatz 5 SBGG wird ersatzlos gestrichen. Dadurch sollen unterschiedliche Regelungen insbesondere im Vergleich zu sonstigen Namensänderungen vermieden werden.
Generalverdacht bei Änderung des Geschlechtseintrags
Die lange Liste der Behörden war auf Drängen des Bundesinnenministeriums (BMI) im Regierungsentwurf gelandet, als sich das zuständige Justiz- und Familienministerium schon auf einen Text geeinigt hatten. Die Sorge: Kriminelle könnten die neuen Regelungen missbrauchen, um mit einer neuen Identität abzutauchen.
Hätte sich das BMI in diesem Punkt durchgesetzt, hätte das bedeutet: Die persönlichen Daten von Menschen, die ihren Geschlechtseintrag ändern, gehen automatisch an bis zu zehn verschiedene Bundesbehörden, darunter das Bundeskriminalamt, der Verfassungsschutz und das Bundesamt für Migration.
Ein Generalverdacht, den vor allem die Grünen kritisiert haben. Doch während es in den Verhandlungen gelungen ist, diesen Punkt zu streichen, bleiben weitere kritische Paragrafen unverändert im Gesetz. So ist etwa der Verweis auf der Hausrecht weiterhin im Entwurf. Er betont, was rechtlich ohnehin schon klar ist: Das Hausrecht gilt auch für Einrichtungen wie Frauensaunen. Justizminister Marco Buschmann hatte diese Hinweise in den Entwurf schreiben lassen, nachdem vergangenes Jahr Diskussionen um vermeintliche Bedrohungsszenarien in der Frauensauna die Debatten geprägt haben.
Auch soll weiterhin Voraussetzung für die Änderung des Eintrags sein, dass dieser drei Monate im Voraus beim zuständigen Standesamt angemeldet werden muss. Verbände und Sachverständige kritisieren die Frist als unnötig und diskriminierend. Sie gilt nicht für andere Formen der Personenstandsänderung wie etwa Heirat. Außerdem gelten die Regeln weiterhin nicht für Menschen, die in Deutschland keinen Aufenthaltsstatus haben, etwa weil sie noch im Asylverfahren stecken oder geduldet sind.
Einige Punkte wurden zudem wieder verschärft. So ist nun doch eine psychologische Beratung vorgesehen, anders als noch im Kabinettsentwurf. Jugendliche ab dem Alter von 14 dürfen in Zukunft mit Zustimmung ihrer Eltern selbst ihren Namen und Geschlechtseintrag ändern lassen. Für Kinder unter 14 müssen die Erziehungsberechtigten die Erklärung abgeben. In beiden Fällen müssen sich die Personen vorher beraten lassen, von einer Therapeutin etwa oder einem Träger der Jugendhilfe.
Datenweitergabe soll ins Namensänderungsgesetz
Und auch die Datenweitergabe an Behörden, die nun aus dem Entwurf verschwunden ist, ist noch nicht vom Tisch. Sie könnte lediglich vertagt worden sein – und damit zugleich auf weitere Personenkreise ausgeweitet werden. Laut einem zweiten Entschließungsantrag des Ausschusses, der ebenfalls für die Abstimmung am Freitag vorgesehen ist, soll der Bundestag die Regierung auffordern, bis Ende des Jahres einen Entwurf für eine Reform des öffentlichen Namensrechts vorzulegen.
Es geht darin um Namensänderungen nach dem Selbstbestimmungsgesetz, aber auch um andere Fälle, in denen ein „berechtigtes Interesse“ besteht, den Namen ändern zu lassen. Erwähnt werden etwa „Namensänderung wegen eines ausländischen oder fremdländisch klingenden Namens, durch den Nachteile im gesellschaftlichen, sozialen oder beruflichen Umfeld eintreten“ und „Namensänderung für die zweite und dritte Generation von Migranten“.
Für all diese Fälle soll eine Reform her, die „den staatlichen Ordnungsinteressen in Bezug auf Namensänderungen Rechnung trägt und die Meldeerfordernisse nach Änderung des Geschlechtseintrags stimmig mitregelt“.
Wie diesen Interessen des Staates genau Rechnung getragen wird, lässt der Antrag offen. Jedoch heißt es dazu in den Erläuterungen: „Die Identifikation einer Person muss für alle Sicherheitsbehörden und -dienste weiterhin problemlos möglich sein. Diesem berechtigten Interesse ist durch datenschutzkonforme effektive Sicherungsmaßnahmen Rechnung zu tragen.“ Diese „Ordnungsinteressen“ bestünden auch bei Änderung von Geschlechtseintrag und Vornamen nach dem geplanten Selbstbestimmungsgesetz. „Sicherungsmaßnahmen dürfen aber nicht lediglich für diese Form der Namensänderung gelten, sondern müssen diskriminierungsfrei und stimmig ausgestaltet werden.“
Anmeldungen ab Anfang August
Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll regeln, wie non-binäre und trans Menschen in Zukunft ihren Geschlechtseintrag und Namen ändern können. Bislang mussten sie dazu zwei psychologische Gutachten vorlegen und die Änderung vor Gericht anerkennen lassen – ein teures Verfahren, das Betroffene als entwürdigend beschreiben – und das vom Verfassungsgericht mehrfach für verfassungswidrig erklärt wurde. In Zukunft soll gelten: Eine Erklärung auf dem Standesamt reicht.
Sollte der Bundestag dem Gesetz am Freitag zustimmen, gilt es als beschlossen. Eine Zustimmung des Bundesrats ist nicht erforderlich. Es soll dann ab dem 1. November in Kraft treten. Eine Anmeldung der Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen bei den Standesämtern soll bereits ab dem 1. August möglich sein.
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Author: Chris Köver