Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
Reaktionen zur Chatkontrolle: Heute feiern, morgen weiter kämpfen
Die belgische Ratspräsidentschaft ist gescheitert, die EU-Staaten hinter der Chatkontrolle zu versammeln. Gegner der Massenüberwachung reagieren erleichtert. Doch das Gesetz ist noch lange nicht vom Tisch, der Kampf geht weiter.
Belgien ist gescheitert, die EU-Staaten hinter ihrem Gesetzentwurf zur Chatkontrolle zu vereinigen. Die scheidende Ratspräsidentschaft hat die für heute geplante Abstimmung kurzfristig abgesagt, weil keine ausreichende Mehrheit in Sicht war. Damit geht das Gesetzesvorhaben an die ungarische Ratspräsidentschaft, die ab Juli übernimmt.
Heute atmen aber viele Gegner der Massenüberwachung erst einmal auf. Die Reaktionen im Überblick.
Ella Jakubowska (Head of Policy, European Digital Rights):
Es ist ein sehr gutes Zeichen, dass die belgische Ratspräsidentschaft die Abstimmung abgesagt hat. Gleichzeitig glaube ich nicht, dass wir schon völlig im Trockenen sind: Wir haben schon lange vor diesem Vorschlag gegen Versuche gekämpft, Hintertüren in Verschlüsselungen einzubauen. Es ist also ein Moment für Optimismus, aber wir müssen den Druck trotzdem aufrechterhalten.
Patrick Breyer (MEP, Piraten): Megaerfolg bei Verteidigung des digitalen Briefgeheimnisses
Ohne das Engagement und den Protest von unzähligen Personen und Organisationen in Europa in den letzten Tagen hätten die EU-Regierungen heute totalitäre flächendeckende Chatkontrollen beschlossen, das digitale Briefgeheimnis und sichere Verschlüsselung beerdigt. Danke an alle, die Politikern geschrieben oder angerufen haben. Dass wir die orwellsche Chatkontrolle trotz des Umfallens Frankreichs erneut stoppen konnten, gehört gefeiert!
Maximilian Funke-Kaiser (MdB, FDP): Abstimmung über Chatkontrolle wurde vertagt
Wir Freie Demokraten sind stolz darauf, dass wir den erneuten Vorstoß zur Chat-Kontrolle in Europa und damit einen direkten Angriff auf die Bürgerrechte und die Privatsphäre des Individuums abwehren konnten. Dennoch ist weiterhin Vorsicht geboten.
Tobias Bacherle (MdB, Grüne) und Denise Loop (MdB, Grüne): Abstimmung zu flächendeckendem Scannen privater Chats im EU Rat vorerst abgewendet
Es ist gut, dass die Befürworter*innen einer anlasslosen Chatkontrolle heute keinen Schritt voran gekommen sind. Wir konnten das „Worst-Case“-Szenario vorerst verhindern. Denn eine flächendeckende Chatkontrolle hätte weder den Schutz von Kindern noch den Schutz der digitalen Privatsphäre bedeutet. Nun hat auch die belgische Ratspräsidentschaft erkannt, dass sie für eine flächendeckende Chatkontrolle keine Mehrheit im Rat organisieren kann.
Tabea Rößner (Vorsitzende des Bundestags-Digitalausschusses, Grüne), Anke Domscheit-Berg (MdB, Linke), Sabine Grützmacher (MdB, Grüne): Für den Schutz unserer Privatsphäre
Wir sind zwar gerade auf Ausschussreise in Lissabon, haben aber die Diskussion zur Chatkontrolle intensiv begleitet und begrüßen die klare Ablehnung Deutschlands in Brüssel. Die Verschiebung der Abstimmung ist dabei nicht ausreichend, wir fordern die endgültige Ablehnung des Konzepts Chatkontrolle.
Marco Buschmann (Bundesjustizminister, FDP): „Chatkontrolle“-Verhandlungen vorerst gescheitert
Der FDP-Politiker sagte, er freue sich, „dass meine rechtsstaatlichen Bedenken auf fruchtbaren Boden gefallen sind“. Es sei gut, dass die Bundesregierung in dieser Frage mit einer Stimme spreche und sich gemeinsam gegen ein anlassloses und massenhaftes Scannen – selbst verschlüsselter – privater Kommunikation und von Daten in der Cloud positioniere.
Die künftige ungarische Ratspräsidentschaft kommentiert:
Die CSA-Verordnung ist eine Priorität für den kommenden ungarischen Ratsvorsitz. Der Ratsvorsitz legt besonderes Augenmerk auf die Schaffung eines sicheren Umfelds für Kinder, sowohl offline als auch online. Unser Ratsvorsitz wird weiterhin an der Entwicklung einer langfristigen gesetzlichen Lösung zur Verhinderung und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet und an der Überarbeitung der Richtlinie gegen die sexuelle Ausbeutung von Kindern arbeiten.
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Author: Andre Meister