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Hakenkreuze, rassistische Memes und Holocaustverharmlosung: Immer wieder fliegen menschen- und verfassungsfeindliche Messenger-Gruppen von Polizist:innen auf. Der Bundesrat will nun die Hürden für eine strafrechtliche Ahndung senken.
Das 1. Polizeirevier in Frankfurt am Main. Fünf Polizist*innen tauschten hier verfassungs- und menschenfeindliche Chats aus. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Jan HuebnerDer Bundesrat will stärker gegen rechtsextreme Chats von Polizeibeamt:innen, Justizvollzugsbediensteten und Soldat:innen vorgehen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf hat die Länderkammer am Freitag beschlossen. Konkret würde das Gesetz einen neuen Paragraphen im Strafgesetzbuch schaffen. Der Titel: „Volksverhetzende Inhalte und verfassungswidrige Kennzeichen im Zusammenhang mit der Dienstausübung.“
Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein hatten die Gesetzesinitiative vorgeschlagen, berichtet das Rechtsportal Legal Tribune Online (LTO). Der Bundesrat argumentiert, es brauche die Gesetzesanpassung, „um einer Erosion rechtsstaatlicher Kultur und Prinzipien insbesondere in einzelnen Behörden oder dienstlichen Gruppen vorzubeugen und auch das Vertrauen der Allgemeinheit in rechtsstaatliches Handeln von Behörden zu schützen“.
Demnach sollen Amtsträger*innen mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden, wenn sie volksverhetzende Inhalte teilen, „im Zusammenhang mit der Dienstausübung in einer Weise, die geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in rechtstaatliches Handeln von Behörden oder sonstigen Stellen der öffentlichen Verwaltung zu erschüttern“.
In dem neuen Paragraphen selbst ist der „Zusammenhang mit der Dienstausübung“ nicht weiter definiert. Allerdings bewertet die Gesetzesbegründung die aufgeflogenen Chatgruppen als dienstbezogen, „beispielsweise durch die jeweilige Zusammensetzung ihrer Mitglieder oder wegen des Charakters der sonstigen Mitteilungen in der jeweiligen Gruppe“. So hätten in der Vergangenheit Beamt*innen auch dienstliche Infos über solche Gruppen ausgetauscht oder ihre Feierabendaktivitäten koordiniert.
Strengere Regeln für Staatsbedienstete
Die Bundesländer wollen mit der Initiative eine rechtliche Lücke schließen. Seit mehreren Jahren sorgen immer wieder rechtsextreme Online-Aktivitäten von Polizisit:innen und Soldat:innen für Schlagzeilen. So etwa der Fall von fünf Polizeibeamt:innen aus dem 1. Polizeirevier in Frankfurt, die in einer Messenger-Gruppe namens „Itiotentreff“ unter anderem Hakenkreuze, Hitlerbilder und Verharmlosungen des Holocausts ausgetauscht hatten. Auch über Menschen mit Behinderung und People of Colour machten sie sich lustig und verleumdeten diese. Die Chats des Itiotentreffs sind dank einer Veröffentlichung von FragDenStaat und dem ZDF Magazin Royale im Original nachlesbar.
Während Innenminister:innen in solchen Fällen oft lautstark versprechen, mit aller Härte gegen Verfassungsfeinde im Staatsdienst vorgehen zu wollen, bleibt die juristische Aufarbeitung bislang oft hinter den Erwartungen der Öffentlichkeit zurück. So entschied etwa das Landgericht Frankfurt, das von der Staatsanwaltschaft geforderte Strafverfahren gegen die Mitglieder des Itiotentreffs gar nicht erst zu eröffnen.
Besonders strafrechtliche Konsequenzen haben Staatsbedienstete, die sich in Chats verfassungs- und menschenfeindlich äußern, bislang oft wenig zu befürchten. Zwar können grundsätzlich sowohl die Verwendung von Hakenkreuzen als auch die Verharmlosung des Holocausts in Deutschland strafbar sein. Gerichte tendieren aber dazu, insbesondere Äußerungen in kleineren Chatgruppen als nicht-öffentliche Kommunikation anzusehen, von der keine Gefahr für den öffentlichen Frieden ausgeht.
Auch der Bundesrat macht für die bisherige Straflosigkeit den Umstand verantwortlich, dass die beschuldigten Beamt*innen die menschenverachtenden Inhalte nicht mit einem „undefinierten und unkontrollierbaren größeren Personenkreis geteilt“ hätten, was die Straftatbestände zu Volksverhetzung und zum Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen aber erfordern würden.
Auch Disziplinarrecht soll verschärft werden
Bis das vorgeschlagene Gesetz in Kraft tritt, könnte es noch dauern. Der Bundesrat hat den Vorschlag laut LTO an die Bundesregierung überwiesen. Diese gibt dann eine Stellungnahme ab, bevor der Bundestag über das Gesetz abstimmt. Abschließend befasst sich auch der Bundesrat noch einmal mit dem Vorhaben.
Mehr Möglichkeiten zur Ahndung rechtsextremer Äußerungen von Staatsbediensteten als das Strafrecht bietet eigentlich das Disziplinarrecht. Doch auch hier entscheiden Gerichte immer wieder zugunsten der Angeklagten. So scheiterte jüngst etwa das Land Bayern vor Gericht an dem Versuch, einen Beamten aus dem Dienst zu entfernen. Der Polizist hatte sich in Chats mehrfach rechtsextrem und antisemitisch geäußert. Zur gleichen Zeit war er als Personenschützer für Charlotte Knobloch abgestellt, die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland.
Auch beim Disziplinarrecht steht deshalb voraussichtlich eine Verschärfung an. Auf Initiative von Bundesinnenministerin Nancy Faeser hatte die Bundesregierung im Frühjahr einen Gesetzentwurf vorgeschlagen, um Extremist*innen schneller aus dem Staatsdienst entfernen zu können. Der Bundestag hatte im Mai erstmals darüber beraten, eine Verabschiedung steht noch aus.
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Author: Leonhard Pitz