Köln | Die Kölner Verkehrsbetriebe und die Stadt Köln agitieren auf der von ihnen aufgesetzten Kommunikations-Website zur Ost-West-Achse öffentlich gegen das Gutachten von Vieregg-Rössler und sprechen davon, dass dies „haltlos“ sei. Report-K beschäftigt sich mit den Aussagen der Stadt und KVB sowie den Aussagen des Gutachters, den die BI Verkehrswende engagierte.
Hinweis der Redaktion: Es geht in dieser Betrachtung des Disputs um die Kölner Ost-West-Achse nicht um den Vorschlag von SPD, CDU und FDP mit den Metrolinien, die zuletzt vom Verkehrsausschuss verabschiedet wurde, sondern um den Verwaltungsvorschlag der beiden Varianten ober- und unterirdisch.
Einseitige Darstellung durch die öffentliche Hand?
Für die öffentliche Hand, in diesem Fall die Stadt Köln und ihre Unternehmen, in diesem Fall die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) gilt das medienrechtliche Prinzip der Staatsferne in besonderer Schärfe. Dies hat sich nicht die Redaktion von report-K ausgedacht, sondern ist Verfassungsgrundsatz. Die Kommunen hebeln dies zwar immer wieder gerne mit der Argumentation der kommunalen Selbstverwaltung aus und ignorieren damit Verfassung und Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts. Der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellt dazu unter anderem in seinem Papier WD10-3000-056/16 fest: „Selbst eine lediglich randständige, die Pressevielfalt und zugleich die freie, privatwirtschaftlich organisierte Presse nicht tangierende Staatspresse ist abzulehnen. Vor diesem Hintergrund birgt selbst eine überbordende hoheitliche Öffentlichkeitsarbeit Gefahren für die Neutralität der Kommunikationsprozesse und die öffentliche Hand muss sich daher in Art, Frequenz und Umfang in Zurückhaltung üben.“
Lob für eigenen Gutachter
Die Stadt Köln betreibt gemeinsam mit der KVB die Website „ostwestachse.koeln“ und nennt eine Unterseite „Faktencheck des Expertenteams“. Dort titelt die Stadt Köln unter Punkt 7, den sie dort hinzufügte, „Kritik der Vieregg-Rössler GmbH an der NKU ist haltlos“. Die Stadt Köln und die KVB postulieren dort, dass ihr Gutachten zur Förderfähigkeit nach der Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) sowohl für die Tunnellösung, wie für die oberirdische Variante gelte und die Stellungnahme von Dr. Martin Vieregg, der vom Bündnis Verkehrswende beauftragt wurde, eben haltlos sei. Dann lobt die Stadtverwaltung ihren beauftragten Gutachter mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Durchführung standardisierter Bewertungen und schreibt, dass dieser seine Eingangsdaten und Verfahrensschritte mit den Fördergebern von Bund und Land erarbeitet habe.
Was bedeutet eigentlich „standardisiert“?
Diese Aussage von Stadt, KVB und Gutachter der Stadt sorgt zumindest in ihrer Formulierung für Irritation, da diese eigentlich aussagt, hier hätte es individuelle Anpassungen gegeben von städtischem Gutachter und Fördergebern. Aber kann das bei einem Verfahren, dass sich „Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen im öffentlichen Personennahverkehr“ nennt, sein? Darauf macht Vieregg aufmerksam, der verdeutlicht, dass „standardisiert“ bedeute Parameter dürften nicht individuell geändert werden, damit Projekte bundesweit einheitlich bewertet werden könnten, da sie sich um die gleichen Fördergelder bewerben.
Vieregg macht zu der Kritik der Stadt darauf aufmerksam, dass er transparent dargestellt habe, dass er nicht die gesamt „Standardisierte Bewertung“ nachgerechnet und überprüft habe, sondern nur die Reisezeitsalden. Sein Ergebnis sei eindeutig, zweifelsfrei und transparent nachvollziehbar. Die „Standardisierte Bewertung“ gewichte Fußwege stärker als die reinen Fahrzeiten. Damit werde im Kölner Fall durch die sehr tief liegenden Tunnelanlagen und Haltestellen die kürzeren Fahrzeiten kompensiert. Damit stelle sich kein nennenswerter Nutzen und keine gewollte Verlagerung von der Straße auf die Schiene ein. Vieregg macht deutlich, dass würden die geplanten Haltestellen näher an der Oberfläche liegen, dann würde der Nutzen besser aussehen.
Das wirft die Stadt und KVB Vieregg vor
„Die Kritik der Vieregg-Rössler GmbH beruht auf Fehlinterpretationen der neuen Verfahrensanleitung zur Standardisierten Bewertung (gültig seit 2022). Besonders die neue Berechnungsart für den Fahrgastnutzen wurde von der Vieregg-Rössler GmbH nicht berücksichtigt. Dabei ist die Reisezeit-Differenz nicht mehr als Bezugsgröße der Nutzenberechnung anzuwenden, sondern maßgeblich sind die ‚Reisewiderstände‘. Dieser Sachverhalt ist entscheidend, da neben der objektiv gemessenen Reisezeit auch die vom Fahrgast subjektiv empfundenen Bedingungen (etwa Fahrkomfort) mit einfließen. Das größere Platzangebot in der Bahn bewirkt, dass Fahrzeitvorteile deutlich höher gewichtet werden als Zeitnachteile beim Zugang einer unterirdischen Haltestelle. Außerdem bewirkt die Kapazitätsthematik auch Nutzeneffekte auf den Außen-Ästen im Bereich Ost und West, die von der Vieregg-Rössler GmbH nicht berücksichtigt werden. Zusammenfassend muss gesagt werden, dass aufgrund des fehlerhaften Einstiegs in die Analyse alle von der Vieregg-Rössler GmbH ermittelten Ergebnisse falsch sind.“
Vieregg hält dagegen und erklärt, dass die von der Stadt und KVB genannten „Reisewiderstände“ in seiner Studie die „Reisezeitsalden“ seien. Vieregg bestreitet nicht, dass eine Ausweitung der Kapazität das Angebot erhöhe und damit auch ein positiver Effekt auf den Nutzen-Kosten-Wert einzahle. Daher habe Vieregg in seiner Studie darauf verzichtet den Nutzen-Kosten-Wert korrigiert zu nennen, da einige weniger entscheidende Einflussgrößen nicht betrachtet worden seien. Vieregg bezweifelt aber, dass deren Effekte so groß seien, dass der Nutzen-Kosten-Wert von 0 auf 1,0 angehoben werden könne. Vieregg weist darauf hin, dass die oberirdische Variante genau das gleiche Betriebskonzept habe, wie die Tunnellösung und sagt, dass sich auf diese Weise das gute Abschneiden des Tunnels gegenüber der oberirdischen Variante nicht erklären lasse. Vieregg weist darauf hin, dass der Vorschlag der Bürgerinitiative mit 60 Meter langen Zügen bei Verdichtung der Taktung zu fahren, sich positiv auf die Reisezeiten auswirken würde, da die Wartezeiten verkürzt würden.
Die Emmissionen
Zu den CO2-Emmissionen und Mehrkosten schreiben Stadt Köln und KVB: „In der Standardisierten Bewertung wurden eine CO2-ärmere Produktion bei der Zement-Herstellung und deren Mehrkosten berücksichtigt. Das ist methodisch angemessen, weil Nutzen und Aufwand abgebildet sind. Diese Vorgehensweise wurde mit den Zuwendungsgebern abgestimmt und bereits bei anderen Vorhaben angewandt.“
Die Studie von Vieregg-Rössler stellte in ihren Anmerkungen bereits fest, dass solche Änderungen in der „Standardisierten Bewertung“ nicht zulässig seien. Vieregg bezweifelt nicht, dass es in 15 Jahren möglich sein könnte Stahl zu produzieren, dessen CO2-Emmissionen geringer seien. Vieregg macht aber darauf aufmerksam, dass dann auch ein höherer Anteil an E-Autos berücksichtigt werden müssten. Es sei nicht möglich einzelne Werte einer standardisierten Bewertung abzuändern. Dazu müsse die „Standardisierte Bewertung“ in Gänze für ganz Deutschland geltend angepasst werden. Aktuell gelte aber die Fassung „2016+“ aus dem Jahr 2022, auf die sich die Berechnungen beziehen müssten.
Das Fazit
Es gibt einen Streit oder Disput um die Studie von Vieregg. Diesen trägt die Stadt Köln auf einem Kanal aus, den sie selbst gemeinsam mit ihrem städtischen Tochterunternehmen betreibt und finanziert. Sie trägt diesen einseitig und nur zu ihren Gunsten aus indem sie Anwürfe und Anschuldigungen erhebt, aber das Gegenüber nicht zu Wort kommen lässt. Das sollte bei einem so gigantischen Projekt und vor allem, wo es um politische Meinungsbildung geht nicht sein. Hier ist die öffentliche Hand zur Zurückhaltung aufgefordert, vor allem und gerade vor einem Jahr in dem OB-Wahl und Kommunalwahl ansteht. Anstatt einen öffentlichen Disput zu ermöglichen nehmen Stadtverwaltung und KVB einseitig öffentlich Einfluss. Die Stadt hätte ein Podium arrangieren können, auf dem beide Seiten vertreten sind und auf dem beide Seiten ihre Argumente vortragen.
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