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Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!: Warum Schulen und Freie Software gut zusammenpassen

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Öffentliches Geld – Öffentliches Gut!Warum Schulen und Freie Software gut zusammenpassen

Obwohl Freie und Open-Source-Software proprietären Anwendungen in vielen Aspekten überlegen sind, setzen Schulen oft weiter auf Tech-Monopolisten. Alle? Nein, es gibt gallische Dörfer und Landkreise, die sich von Big Tech lösen. Sie zeigen: Nachmachen lohnt sich.

Schule funktioniert auch mit Freier Software. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / VectorFusionArt

Das Hohenzollern-Gymnasium in Sigmaringen ist ins Lager für Freie und Open-Source-Software übergelaufen. Das Georg-Büchner-Gymnasium in Seelze nutzt ebenfalls offene Software. Auch an anderen Schulen gibt es Freie-Software-Projekte.

Besonders bekannt ist das Beispiel aus dem Landkreis Harz. Dort arbeitet die kommunale IT-Abteilung daran, möglichst alle Schulen mit Freien Betriebssystemen und Anwendungen auszustatten. Das kann man getrost als großen Schritt bezeichnen.

Schulträger, Schulleitungen und auch Lehrkräfte begegnen dem Thema Freie Software und Open Source häufig mit Vorbehalten. Zu unbekannt, zu kompliziert oder technisch nicht ausgereift – das sind oft geäußerte Vorurteile. Dabei gibt es für nahezu alle schulischen Bedarfe sichere und vollständig funktionale Freie-Software-Angebote.

Die ehrenamtliche Initiative von Eltern, Lehrkräften und Nerds cyber4edu zeigt, dass vom Lernmanagementsystem über Schulverwaltungssoftware und Whiteboards bis zu Bild-, Video und Audiobearbeitungssoftware, kollaborativen Arbeitswerkzeugen, Browsern oder Werkzeugen zum Erlernen von Programmierfähigkeiten alles als Freie Open-Source-Software verfügbar ist.

Berichte aus den genannten Schulen machen deutlich, welche Vorteile Schule und kommunale Haushalte davon haben, auf Freie Software umzusteigen.

Einzelne Anwendungen als Eisbrecher

Martina Müller ist Koordinatorin für Schul-IT im Landkreis Harz. Sie und ihr fünfköpfiges Team sind für die IT-Ausstattung der über 30 Schulen im Kreis zuständig. Das betrifft über 10.000 Schüler*innen und um die 1.000 Lehrkräfte. Sie berichtet, dass vor allem Lehrkräfte an Berufsschulen oft davon ausgehen, dass für die Bild-, Video- oder Audiobearbeitung Apple- und Windows-Rechner und die dazugehörige Software alternativlos seien.

„Wir gucken immer, welche Anwendungen die Schulen nutzen und sehen dann zum Beispiel den VLC-Mediaplayer oder das Grafikprogramm GIMP,“ beschreibt Müller ihr Vorgehen in einem Podcast des MDR. Wenn dann erstmal die Erkenntnis da sei, dass es Freie Software gibt, die zu den Anforderungen der Schüler*innen und Lehrkräfte passt, sei der erste Schritt getan.

Der Umstieg auf Open-Source-Betriebssysteme, gegen die es laut Müller den größten Widerstand gibt, sei dann nicht mehr so fern. Alle Pilotschulen, die mit einem solchen Betriebssystem ausgestattet wurden, haben dies nach der Probephase weiter genutzt.

Digitale Kompetenzen statt Klickpfade lernen

Martina Müller und Dr. Stephan Schmidt, der Koordinator für die Umsetzung der Digitalisierung im Unterricht am Georg-Büchner-Gymnasium, sind der Ansicht: Es sollte an Schulen ohnehin darum gehen, digitale Kompetenzen und grundlegende informatische Fähigkeiten zu vermitteln.

Wenn alle die gleiche proprietäre Software verwenden, lernen Schüler*innen vor allem, dieses Produkt zu bedienen. Doch Lernende sollten sich in der digitalen Welt zurechtfinden und nicht nur in der Produktwelt eines Unternehmens.

In den Bring-Your-Own-Device-Klassen am Georg-Büchner-Gymnasium können die Lernenden eigene Geräte mitbringen – mit offener oder proprietärer Software. Sie erleben so, dass es eine Vielfalt von digitalen Anwendungen gibt.

Die Schule selbst nutzt für Lernangebote zur Medienbildung und Informatik aber ausschließlich Freie Software. Die Schüler*innen sollen so „grundlegende Prinzipien im Umgang mit Programmen“ erlernen. Im Unterricht werden „Chancen und Risiken von Big Data, Datenschutz oder Grundrechte im Digitalen“ adressiert, aber auch „Grundlagen der Programmierung, Algorithmen mit Java und Datenstrukturierung und Präsentation mit XML“.

Die Schüler*innen erlernen so Fähigkeiten, die sie zu einem kreativen, aktiven und kritischen Umgang mit Technologie befähigen sollen.

Individualisierung statt „one size fits all“

Schulen haben häufig ganz andere Anforderungen an IT als die kommunale Verwaltung. Unterschiedliche Schulformen haben nochmal verschiedene Bedürfnisse, was Software betrifft. Diese Erkenntnisse – und der Wunsch, Schulen möglichst individuell auszustatten – haben den Schulträger im Landkreis Harz dazu bewogen, Freie Software und Betriebssysteme in Schulen zu bringen. Nach dem Prinzip „Technik folgt Pädagogik“, wie Martina Müller sagt.

Denn wer unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht werden will, braucht kein fertiges Produkt. Notwendig sind Anwendungen, die angepasst werden können, ohne einen kommunalen Haushalt vollkommen zu sprengen.

Das geht bei Freier Software deutlich besser als bei proprietären Produkten von Microsoft und Co. Sie verdienen nämlich an einem bereits fertigen Produkt und den dazugehörigen Lizenzen. Wenn eine Version des Microsoft-Office-Pakets ausläuft, wird der Support eingestellt. Nutzende werden so quasi dazu gezwungen, Lizenzen für die neue Version zu kaufen – oder müssen ihr gesamtes System umstellen. Eine Mammutaufgabe.

Natürlich muss auch der Aufwand für den Einsatz Freier Software eingepreist werden – egal ob interne Arbeitsstunden oder Aufträge an Anbieter und Dienstleister für Wartung, Anpassung oder Betrieb. Ein Vorteil: Das individualisierte Produkt steht dann allen Schulen und damit Lehrkräften und Schüler*innen zur Verfügung.

Um die verschiedenen Bedarfe von Förderschulen oder Berufsschulen zu kennen und mit Open-Source-Dienstleistern umsetzen zu können, hat man im Landkreis Harz die Schulleitungen und Lehrkräfte einbezogen. Bei regelmäßigen Treffen konnten sie verschiedene Ansprüche formuliert und die Frage der Umsetzung diskutiert werden, berichtet die Koordinatorin Martina Müller.

Endlich frei – zumindest freier als zuvor

Einer der Gründe dafür, dass es auch Schulen und Schulträgern so schwer fällt, den Tech-Giganten den Rücken zu kehren, ist der Lock-in-Effekt. Der Einstieg in eine proprietäre Produktwelt mag vielleicht noch verträglich erscheinen. Da es sich meist um ein Ökosystem handelt, wächst jedoch gleichzeitig die Zahl der Abhängigkeiten, die bei einem Wechsel beachtet werden müssen.

Wer sich für ein proprietäres Produkt entschieden hat, das es nur für Windows oder macOS gibt, kann häufig nicht ohne weiteres auf ein Freies Betriebssystem für eine ganze Rechnerflotte umsteigen. Und wer argumentiert, dass Schüler*innen die Microsoft-Office-Suite zu nutzen lernen müssten, weil die in der Geschäftswelt allgegenwärtig sei, zeigt einerseits den Lock-In-Effekt am Werk – und bestärkt ihn sogar noch, weil eine weitere Generation junger Menschen proprietäre Software als alternativlos beigebracht bekommt.

Die Macht der Gewohnheit spielt hier häufig eine große Rolle. Lehrkräfte sind ohnehin überlastet – sich dann auf neue Betriebssysteme oder Programme einzulassen, erfordert Zeit, die die meisten nicht haben.

Freilich, auch mit der Entwicklung, der individuellen Anpassung – etwa für die Bedarfe von Schulen – und der Wartung von Anwendungen mit Freier Software verdienen Firmen Geld. Was aber wegfällt und damit die notorisch klammen Kommunen entlastet, sind Lizenzgebühren. Teile davon könnten in den gemeinsamen Betrieb oder die kollektiv getragene Wartung sowie die Entwicklung gewünschter Features nachhaltiger investiert werden.

Auch wenn sie die finanziellen Vorteile nicht an erster Stelle sieht, kann Martina Müller sie doch sehr genau beziffern. Im Landkreis Harz sparen sie „bis zu 4.000 Euro pro Jahr pro Schule“ durch den Wegfall von Lizenzkosten. Bei über 30 Schulen kommt da einiges zusammen.

Investiert in Personal statt Lizenzen

Nur auf die wegfallenden Lizenzkosten zu verweisen, wäre allerdings verkürzt. Wichtig für eine weitsichtige und nachhaltige IT-Strategie ist der Aufbau notwendiger Kompetenzen bei der öffentlichen Hand selbst. Nur so kann sie sich aus einem weiteren Lock-in-Effekt befreien, nämlich den durch externe Dienstleistung.

Am Georg-Büchner Gymnasium wartet ein schuleigener Administrator etwa 400 Geräte. „Viel zu tun,“ wie Stephan Schmidt anmerkt. Und da Serverdienste wie BigBlueButton oder Moodle sehr gut skalierend betrieben werden können, ist es nur sinnvoll, dies durch eine landeseigene Stelle zu tun, wie das beim Forschungsnetzwerk Belwü in Baden-Württemberg der Fall war.

Das Geld, das Schulen und Schulträger beim Thema Lizenzen sparen, sollten Länder und Kommunen daher in IT-Personal für Schulen und Landesdienstleister investieren. Ohne dass Bund und Länder die notwendigen Mittel und Stellen dafür bereitstellen, wird das aber nicht funktionieren.

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Author: Franziska Kelch

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