Bei einem russischen Luftangriff auf die ukrainische Schwarzmeerstadt Odesa während des Besuchs von Präsident Wolodymyr Selenskyj und dem griechischen Ministerpräsidenten Kyriakos Mitsotakis wurden offenbar fünf Menschen getötet. Der Angriff, der beide Politiker unverletzt ließ, richtete sich gegen den Hafen der Stadt und unterstreicht nach Einschätzung der USA den „dringenden Bedarf“ der Ukraine an weiteren Luftabwehrsystemen. Laut Angaben der ukrainischen Marine gab es neben den Toten auch mehrere Verletzte. Der Vorfall wurde von einem Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates in Washington kommentiert, der die Notwendigkeit für verstärkte militärische Unterstützung hervorhob.
Russischer Angriff auf Odesa
Die ukrainischen Behörden sagen, dass der russische Raketenangriff auf Odesa nicht Selenskyj und griechischen Ministerpräsidenten Mitsotakis zum Ziel hatte. Die verfügbaren Fakten stützen diese Sichtweise. Russland und die Ukraine sind hier sogar einer Meinung.
Gestern wurde vielerorts verbreitet, eine Rakete sei „direkt neben“ dem Konvoi vom griechischen Ministerpräsidenten Mitsotakis und Selenskyj eingeschlagen, als beide den Hafen von Odesa besucht haben. In einigen Tweets war zu lesen, dass die Rakete lediglich „100 Meter“ von den beiden entfernt einschlug. Das scheint falsch zu sein.
Bilder vom Raketenangriff vom mutmaßlichen Standort der beiden zeigen, dass der Raketenangriff deutlich weiter entfernt war. Hier sieht man die Rauchwolke in der Ferne (ganzes Video).
Mehrere Accounts verbreiteten viel kürzere Distanzen, unter anderem der Berater von Selenskyj, Podolyak:
Oder der Account „Republicans against Trump“ mit 2 Millionen Views:
CNN spricht von 500 Metern Abstand, aber das ist vermutlich auch viel zu wenig:
Rekonstruktion:
Versuchen wir nun, mit dem verfügbaren Bildmaterial die Position zu analysieren, an der sich die beiden Staatsoberhäupter befanden, und wo der Angriff stattfand. Laut Mark Krutov vom Radio Free Liberty Europe fand die Explosion etwa 3 Kilometer vom Standort der beiden Staatsoberhäupter statt.
Von Selenskyjs Social Media ist sichtbar, dass beide auf diesem Pier am Hafen waren:
Es ist derselbe Pier, von dem auch das Video der Explosion oben gefilmt wurde.
Schon der benachbarte Pier ist 500 Meter entfernt, und das Video zeigt klar, dass die Explosion deutlich weiter entfernt sein muss. Die Explosion kann also nicht auf diesem gleichen Pier stattgefunden haben.
Putin will wohl Angst schüren
Auch die russische Seite dementiert, die beiden Staatenlenker als Ziel gehabt zu haben. Das deckt sich damit recht genau mit den ukrainischen Angaben:
„Die Streitkräfte der Russischen Föderation haben einen Präzisionsraketenangriff auf einen Hangar im Industriehafenviertel von Odesa durchgeführt, in dem Vorbereitungen für den Kampfeinsatz unbemannter Boote der ukrainischen Streitkräfte liefen. Das Ziel des Angriffs ist erreicht worden. Das Objekt ist getroffen“.
Es dürfte trotzdem recht unangenehm für die beiden Staatsoberhäupter gewesen sein, da sie es nach eigenen Angaben nicht rechtzeitig in den Schutzbunker schafften. Offenbar geschah der Angriff, als beide ins Auto einstiegen. Grundsätzlich gibt es üblicherweise eine Vorwarnzeit von mehreren Minuten bis zu einem Luftangriff. Es ging Russland womöglich bei dem Angriff also eher darum, den beiden Angst einzujagen, ohne wirklich zu beabsichtigen, sie zu töten.
Das soll nicht davon ablenken, dass auch dieser Angriff 5 Menschen tötete. Und Russland sich in einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg befindet, etliche Kriegsverbrechen begeht, darüber Lügen verbreitet, und Putin international als Kriegsverbrecher gesucht wird. Putins Krieg kostete schon zehntausende Zivilisten ihr Leben und hat Millionen Menschen vertrieben.
Dieses „Angst machen“ mit Angriffen ganz in der Nähe ist ein häufiges Muster Putins.
Am 29. April 2022 wurde Kyiv mit Raketen angriffen – während der UN-Generalsekretär in der Stadt war.
Als am 19. Juni 2023 die afrikanische Delegation in Kyiv war, wurde die Stadt ebenfalls gezielt angegriffen.
Auch am 24.2.2024 musste Außenministerin Baerbock in Odesa in den Luftschutzbunker.
Wir könnten hier noch viele weitere solcher Fälle auflisten. Es zeigt: Russland zieht solche tödlichen Stunts öfter ab, womöglich gezielt, wenn ausländische Regierungschefs in der Ukraine sind. Es ist aber daher keine „neue“ Eskalation und sollte nicht überbewertet werden. Nichtsdestotrotz ist klar, dass Putin dennoch zumindest in Kauf nimmt, Staatsoberhäupter von NATO Staaten zu gefährden.
Artikelbild: Uncredited/Ukrainian Presidential Press Office/AP/dpa
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