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Neues BKA-System: Polizeiliche Gesichtserkennung geht steil

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Neues BKA-SystemPolizeiliche Gesichtserkennung geht steil

Die Zahl von Abfragen und Gespeicherten im BKA-Gesichtserkennungssystem nimmt weiter zu. Ein Upgrade mit einer Fehlerrate nahe Null macht 50 Lichtbildexpert:innen arbeitslos. Nur die KI-Verordnung der EU ist noch im Weg.


Matthias Monroy – in Überwachung2 Ergänzungen
Gesichtserkennungssysteme werden immer leistungsfähiger. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / YAY Images

Deutsche Polizeien nutzen das Gesichtserkennungssystem (GES) des Bundeskriminalamtes (BKA) immer zahlreicher für Abfragen. Im Jahr 2023 wurden über die Plattform insgesamt 117.894 Suchen durchgeführt, davon 74.803 durch die Landeskriminalämter, 26.187 durch das BKA und 16.904 durch die Bundespolizei. Dies stellt einen deutlichen Anstieg gegenüber 2022 dar, als insgesamt 91.767 Anfragen gestellt wurden.

Die Statistik war bereits durch die Antwort auf eine Kleine Anfrage im Bundestag bekannt. Auf weitere Nachfrage von netzpolitik.org differenzierte ein BKA-Sprecher auch die Suchläufe für die einzelnen Behörden: Demnach führten Landeskriminalämter im Jahr 2023 74.803 Abfragen durch, das BKA 26.187. Von der Bundespolizei stammten 16.904 Abfragen, was gegenüber dem Vorjahr mehr als eine Verdopplung darstellt.

Die Zunahme der durchgeführten Recherchen erklärt das BKA damit, dass bei den Polizeibehörden „das Bewusstsein über Gesichtserkennung als Hilfsmittel zunimmt“. Jedoch stieg die Zahl der identifizierten Personen nur leicht: Im Jahr 2023 wurden insgesamt 3.796 Personen mithilfe der Gesichtserkennung ausfindig gemacht oder verifiziert, im Jahr 2022 waren es 3.599. Die meisten positiven Treffer (2.113) erzielte wie in den Vorjahren die Bundespolizei, gefolgt von den Landeskriminalämtern (1.674) und dem BKA (9).

Lichtbilddatei wächst weiter

Das bislang ausschließlich retrograd funktionierende GES steht seit 2008 allen deutschen Polizeibehörden zur Verfügung. Es soll helfen, Straftaten aufzuklären oder die Identität von Asylsuchenden zu verifizieren. Neben Fotos aus der erkennungsdienstlichen Behandlung können auch Handyfotos oder Aufnahmen von Videokameras im öffentlichen Raum für die Abfrage genutzt werden.

Die abgefragten biometrischen Daten liegen in der INPOL-Datei. Diese größte deutsche Polizeidatenbank wird ebenfalls vom BKA für alle angeschlossenen Behörden zentral geführt. Auch die Zahl der dort gespeicherten Gesichtsbilder ist im Jahr 2023 wieder deutlich gestiegen. Mit Stand vom 8. März 2024 waren in INPOL insgesamt 7.293.861 Lichtbilder zu 5.099.635 Personen gespeichert – gegenüber dem Vorjahr eine Zunahme um rund zehn Prozent. Von den gespeicherten Bildern stammen 3.061.861 aus „nicht-polizeilichen Quellen“, erklärt das BKA. Einen Großteil davon dürften Asylanträge ausmachen.

Fehlerrate schon jetzt unter ein Prozent

Im Jahr 2014 betrug die Fehlerrate des GES noch rund 30 Prozent, heute soll sie auf unter ein Prozent gesunken sein. Das berichtete eine Mitarbeiterin des BKA auf der Herbsttagung der Wiesbadener Bundeshörde im November. In den kommenden Jahren soll das System dann gar keine Fehler machen: Das BKA hat im September 2024 ein auf Künstlicher Intelligenz basiertes, erneuertes GES eingeführt, das BKA-Chef Holger Münch als eines der leistungsstärksten weltweit bezeichnet.

Es soll präzise Identifizierungen selbst unter schwierigen Bedingungen wie schlechten Lichtverhältnissen, schwierigen Blickwinkeln und bei Altersunterschieden bis zu 30 Jahren ermöglichen.

„Weitere Automatisierungsmaßnahmen“ angekündigt

Auf der Herbsttagung hat Münch unter dem Motto „Wie wir die Welle reiten“ weitere Details zu dem neuen GES mitgeteilt. Demnach ist die Treffergenauigkeit bei sogenannten 1:n-Recherchen so hoch, dass ein nachfolgender manueller Abgleich durch Lichtbildexpert:innen eigentlich überflüssig wäre. Diese menschliche Endkontrolle soll nur aufgrund von Vorgaben der von der EU erlassenen KI-Verordnung weiterhin erfolgen, wie BKA-Präsident Münch betonte. „Aufgrund von rechtlichen Vorgaben werden jedoch Mitarbeitende Aufgaben weiterhin manuell erledigen müssen“, heißt es aber auch in der Präsentation der BKA-Expertin.

Trotzdem werden in der Abteilung für die Verifizierung zahlreiche Stellen abgebaut. Auf der Herbsttagung sprachen BKA-Mitarbeiter hierzu von jetzt schon 15 „freigesetzten“ Mitarbeiter:innen, Ende 2026 soll diese Zahl bei 50 Personen liegen. Anschließend seien „weitere Automatisierungsmaßnahmen“ vorgesehen.

Laut Münch wurde für diesen Prozess ein „Personalprojekt“ ins Leben gerufen, um den Wandel in der Abteilung für Gesichtserkennung zu begleiten und für die obsolet werdenden Mitarbeiter:innen neue, anspruchsvollere Tätigkeiten zu schaffen.

Münch will System weiter „entfesseln“

Der BKA-Chef bezeichnet die Einführung KI-gestützter Biometrie-Methoden als „Kreativität“, die es „weiter zu entfesseln“ gelte. Dazu verweist Münch auf den Fall der als RAF-Terroristin verhafteten Daniela Klette. Ein Investigativjournalist hatte eine Spur Klettes entdeckt, indem er alte Fahndungsfotos von ihr über den privaten Anbieter PimEyes mit Fotos in Sozialen Netzwerken abglich. Auf diese Weise habe der Podcaster „Befugnisdefizite“ der Polizei aufgedeckt, so Münch.

Auch deutsche Polizeien sollen jetzt die Möglichkeit zur Internetsuche mit Gesichtsbildern erhalten, hierzu hatte der Bundestag das sogenannte „Sicherheitspaket“ beschlossen. Einen ersten Anlauf hatte der Bundesrat noch gekippt, da es vielen Ländern nicht weit genug ging. Nun soll das Paket aber noch einen zweiten Anlauf nehmen.

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Author: Matthias Monroy

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