Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
mSpy: Wie Medien am Geschäft mit Spionage-Apps mitverdienen
Apps wie mSpy versprechen Schutz für die Geräte von Kindern. Doch viele Kund*innen nutzen sie illegal, um die Handys von Partner*innen zu überwachen. Die Leipziger Zeitung wirbt dennoch weiter für das Programm – und kassiert für jedes abgeschlossene Abo eine Provision.
Fünf von fünf Sternen: So lobt die Leipziger Zeitung die Spionage-App mSpy. In einem Beitrag, der wie ein Produkttest aussieht, zählt die LZ die Vorteile und Nachteile der App auf und erklärt, wie man sie installiert. Tatsächlich handelt es sich um Werbung, oben steht klein „Anzeige“. Daneben prangt das mSpy-Logo mit einem Link zur Anbieterseite.
Die App, um die es hier geht, wird als Tool zur „Kindersicherung“ vermarktet. Sie ermöglicht es, fremde Telefone zu überwachen und Standorte, Chats und Browserverläufe einzusehen. Teilweise lassen sich Mikrofon und Kamera des überwachten Geräts fernsteuern. Die Person, die das Gerät benutzt, soll davon nichts bemerken.
Recherchen von netzpolitik.org haben jedoch gezeigt: mSpy wird oft missbraucht, um heimlich Partner*innen zu überwachen – in Deutschland eine Straftat. Andere Untersuchungen belegen, dass Apps wie mSpy ursprünglich für diesen Zweck entwickelt und erst später an Eltern vermarktet wurden.
Dieser zweite Kundenkreis wird auch in der als Test getarnten Anzeige der Leipziger Zeitung offen angesprochen. Dort steht: „Neben der elterlichen Kontrolle sind die Funktionen von mSpy flexibel genug, um für andere Zwecke verwendet zu werden, wie das Aufspüren eines untreuen Ehepartners …“.
Beiträge verschwinden, Antwort bleibt aus
Bis vor kurzem warb die Leipziger Zeitung in zahlreichen weiteren Artikeln für die App. „Facebook Spionage-Apps“, „Beste Snapchat Spionage Apps“, „Die besten Spionage-Apps 2025“, „Beste Tinder Spionage Apps“, „Beste Mitarbeiter Spionage Apps – Vergleich & Test“, um nur einige Titel zu nennen. Diese Überschriften sind für Suchmaschinen optimiert. Wer die Schlagworte sucht, soll auf die Anzeigen für mSpy stoßen.
In jedem dieser Artikel landete mSpy auf Platz eins einer Liste und wurde mit einem Link beworben. Klickten Leser*innen darauf und schlossen ein Abo ab, kassierte die Leipziger Zeitung eine Provision. Affiliate-Marketing nennt sich dieses Modell. Unter dem wie ein Produkttest anmutenden Beitrag ist erklärt, warum der Text Affiliate-Links enthält: „Wenn ihr über einen dieser Links etwas kauft, erhalten wir eine kleine Provision, ohne dass für euch Mehrkosten entstehen. Wir empfehlen ausschließlich Produkte, von denen wir überzeugt sind.“ So verdiente die Zeitung am Geschäft mit der Spionage-App.
Nachdem netzpolitik.org dem Medienhaus vergangene Woche einen Fragenkatalog zum Thema geschickt hatte, verschwand eine Reihe der Anzeigen aus dem Netz. Übrig blieb der gerade erwähnte Beitrag. In einem weiteren angeblichen Test bewirbt die Leipziger Zeitung außerdem die Spionage-App Eyezy. Sie wird vom gleichen Kundenservice wie mSpy betreut.
Wie lange standen die Anzeigen online? Wie viel verdiente die Leipziger Zeitung damit? Auf diese Fragen hat das Medienhaus nicht geantwortet. Laut dem Internet Archive steht der Beitrag „mSpy Erfahrungen & Test“ bereits seit mindestens zwei Jahren auf der Website der Zeitung. Nur die Jahreszahl wird regelmäßig aktualisiert.
Wie viel üblicherweise beim Affiliate-Geschäft abfällt, schreibt die Agentur BizzOffers. Sie vermarktet Werbelinks für mSpy. Demnach bekommen die „Partner*innen“ in diesem Werbeprogramm eine Umsatzbeteiligung von 40 Prozent oder 20 Dollar pro Verkauf. Ob das die Konditionen der LZ sind, wissen wir nicht. Die Nutzer*innen der App zahlen oft hunderte Euro für ihre Abos, was das Affiliate-Marketing zu einem potentiell lukrativen Geschäft macht.
Werbung für Partnerschaftsgewalt
Auch andere Online-Medien machen Werbung für mSpy, so zum Beispiel wiwa-lokal.de, ein Hyperlokalformat mit Nachrichten aus Wiesloch und Walldorf, oder das österreichische Nachrichtenportal meinbezirk.at.
Einige Affiliates werben auch ganz offen mit dem Einsatz im Bereich Partnerschaftsgewalt. So erklärt ein Affiliate, dass man mSpy nutzen könne, um „Partner im Auge zu behalten“. Bei einem anderen heißt es, mit mSpy könne man mit wenigen Klicks aufdecken, was fremdgehende Menschen geheim halten wollten.
Die Leipziger Zeitung ist unter den Anbietern herausragend, weil sie ein seriöses deutsches Nachrichtenmedium ist und deutlich mehr Menschen erreicht als die Nachrichten für Wiesloch und Walldorf. Die Regionalzeitung erscheint seit 2015 und wird von der LZ Medien GmbH verlegt. Zunächst erschien sie auch gedruckt, seit 2023 nur noch online und als ePaper.
Fragwürdige Sicherheit, unzufriedene Kund*innen
Fünf Sterne für mSpy vergibt die Leipziger Zeitung auch in den Unterkategorien: „Sicherheit der Plattform“, „Kaufoptionen und Gebühren“, „Dienstleistungen und Features“ und „Kundenbetreuung“. Diese fünf Sterne gibt es, obwohl unter dem Text der Hinweis steht, dass es auch ethische Bedenken bei der Nutzung gebe und es „eine Verletzung der Privatsphäre und auch eine Straftat darstellen kann, wenn es ohne die Zustimmung des Benutzers verwendet wird“.
Anfang des Jahres recherchierte netzpolitik.org zu mSpy und fand Informationen, die der Bewertung der Leipziger Zeitung völlig widersprechen. Bei der App gab es seit 2010 mindestens drei Datensicherheitsvorfälle, dabei wurden sowohl Daten der mit mSpy überwachten Telefone öffentlich als auch die Kommunikation mit Kund*innen.
In den geleakten Unterhaltungen mit dem Kundendienst entdeckten wir viele Kund*innen, die mit der Zahlungsabwicklung höchst unzufrieden waren. Sie versuchten verzweifelt, aus Abos mit mSpy auszusteigen, was ihnen offensichtlich äußerst schwer gemacht wurde.
Auch die „Dienstleistungen und Features“ der App haben Kund*innen massiv kritisiert. Offenbar sind gebuchte Features in der App oft nicht nutzbar. Viele der Kund*innen forderten ihr Geld zurück, wurden aber von Supportmitarbeiter*innen hingehalten.
„Keine Anleitung, um seinen Nachbarn zu stalken“
Wir haben die Leipziger Zeitung gefragt: Warum empfiehlt sie ihren Leser*innen eine App, die in den vergangenen Jahren mehrfach gehackt wurde und als unsicher gilt? Und wie vereinbart sie die Gestaltung ihrer Beiträge mit dem Anspruch, Werbung und Redaktion zu trennen? Eine Antwort blieb aus.
Erstmals berichtete das Schweizer Magazin Republik über das Affiliate-Marketing der Leipziger Zeitung. Es hatte im vergangenen Jahr ebenfalls zu den Kund*innen von mSpy recherchiert. Auf die Anfrage aus der Schweiz erklärte das Medienhaus damals, die App sei unproblematisch, „da sich das Angebot explizit auf das Tracking von Kindern bezieht und nicht eine Hilfe/Anleitung ist, seinen Nachbarn zu stalken“.
Doch hier zeigt sich ein Widerspruch. In ihrem Produkttest schreibt die LZ, die App sei „flexibel genug, um für andere Zwecke verwendet zu werden, wie das Aufspüren eines untreuen Ehepartners“. Das mag keine Anleitung zum Stalking sein, deutet aber an, dass sich die App auch für illegale Überwachung und Beziehungsgewalt nutzen lässt.
mSpy-Kundenservice unterstützt bei illegaler Überwachung
Hinter mSpy verbirgt sich ein undurchsichtiges Firmennetzwerk: Offiziell gehört die App einer Holding in den Vereinigten Arabischen Emiraten, doch die geleakten Nachrichten deuten auf ein Unternehmen in der Ukraine hin.
Im vergangenen Jahr deckte netzpolitik.org auf, wie skrupellos mSpy agiert. Millionen Kundennachrichten der App waren öffentlich geworden und zeigten, wie Täter*innen ihre engsten Bezugspersonen ins Visier nehmen – auch in Deutschland. Die Nachrichten belegen, dass Mitarbeiter*innen im Kundenservice genau wussten, dass Nutzer*innen die App zur Überwachung von Partnern einsetzen wollten. Statt dies zu unterbinden, gaben sie Tipps, wie man die App unbemerkt installiert oder aus der Ferne reaktiviert. Der Kundenservice half also bei der illegalen Überwachung mit.
Auch Kinder haben Recht auf Privatsphäre
Das heimliche Ausspionieren eines fremden Handys ohne Zustimmung der betroffenen Person ist in Deutschland strafbar und fällt unter das Ausspähen von Daten. Zusätzlich können Straftatbestände wie Stalking hinzukommen.
Eine Ausnahme gilt für Eltern: Sie dürfen die Handys ihrer minderjährigen Kinder überwachen, um ihrer Fürsorgepflicht nachzukommen. Doch rechtlich bleibt das umstritten. Zum einen haben auch Kinder ein Recht auf Privatsphäre. Zum anderen erfassen Eltern bei der Überwachung oft ungewollt Gespräche Dritter – etwa in Chatgruppen – und könnten sich dadurch strafbar machen. Medienpädagog*innen raten von solcher Heimlichkeit ab, da es das Vertrauen zwischen Eltern und Kindern gefährdet.
Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel
Author: Chris Köver