Frau Kapedi, Sie kommen aus Kisangani in der Regenwald-Provinz Tshopo. Der Kongo ist bekannt für seine Torfmoore, die auch in Ihre Provinz hineinreichen. Was fühlen Sie, wenn Sie in diesen Ökosystemen unterwegs sind?
Laurette Kapedi: Das sind Orte, an denen die Luft sehr feucht, aber trotzdem frisch ist. Man vergisst, dass wir eigentlich in Zeiten globaler Erwärmung leben. Die Torfmoore spielen eine wichtige Rolle für die Klimaregulierung – und für den Erhalt der Artenvielfalt. Sie sind Juwelen unseres Landes.
Laurette Kapedi
Aktivistin bei der Umweltschutz-NGO „Actions pour la Promotion et Protection des Peuples et Espèces Menacés“
Auch Sie sind mit den Waldgebieten des Landes vertraut, Herr Sakasaka. Sie waren bereits am Mai-Ndombe-See, in dessen angrenzenden Wäldern sich Sumpflandschaften befinden. Und Sie haben Umweltwissenschaften studiert, bevor Sie sich als Journalist auf Öl- und Gasthemen spezialisiert haben.
Pepito Sakasaka: Es ist immer wieder schön, wenn man dieses Grün sieht. Die Menschen leben in einer direkten Verbindung mit ihrer Natur – und das ist toll zu erleben.
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Pepito Sakasaka
Journalist und Medienunternehmer, der sich auf Energiethemen und den Ölmarkt spezialisiert hat
Zusammengenommen bilden die Moorgebiete in der Demokratischen Republik Kongo sowie nord-westlich des gleichnamigen Flusses in der benachbarten Republik Kongo das größte tropische Torfmoor der Welt. Rund 29 Gigatonnen an Kohlenstoff sind in den Böden gespeichert. Bislang ist die Region schwer zugänglich und wird wirtschaftlich kaum genutzt. Nun könnte dort bald Öl gefördert werden. Im Juli 2022 hat die Regierung in Kinshasa 27 Öl- und 3 Gas- förderlizenzen ausgeschrieben, von denen sich einige bis in die Moorgebiete erstrecken. Frau Kapedi, Sie leiten bei der Menschenrechts- und Umweltorganisation APEM eine Projektgruppe zu dem Thema. Was war Ihre Reaktion, als Sie von der Ausschreibung hörten?
Kapedi: Das hat mich wirklich beunruhigt. Die Torfmoore sollten dringend geschützt werden. Sie helfen uns, klimaschädliches Kohlenstoffdioxid in den Böden zu binden und die Biodiversität zu bewahren. Wir und andere Akteur:innen der Zivilgesellschaft wollen die Regierung dazu bringen, Wälder nachhaltig zu bewirtschaften und die biologische Vielfalt zu erhalten.
Sakasaka: Also mich hat es gefreut, als ich erfuhr, dass die Regierung endlich die Gelegenheit zur Ausschreibung ergriffen hat. Der Kongo ist auf Einnahmen aus der Förderung von Öl und Gas angewiesen. Heute machen diese nur 2,7 Prozent der Exporteinnahmen des Landes aus, dabei haben wir enormes Potenzial. Auch ich bin für den Schutz der Umwelt – aber gleichzeitig für eine vernünftige Ölförderung.
Seit den 1940er-Jahren, damals noch unter belgischer Kolonialherrschaft, produziert der Kongo Öl; zuletzt etwas mehr als acht Millionen Barrel im Jahr. Bisher beschränkt sich die Förderung auf das schmale Küstengebiet am Atlantik rund um die Stadt Muanda, teils offshore, teils auf dem Land. Umweltorganisationen dokumentieren seit Langem, dass dort Felder und Gewässer verschmutzt werden und lokale Gemeinden nicht ausreichend einbezogen wurden. Nun soll die Ölförderung aufs ganze Land ausgeweitet werden. 22 Milliarden Barrel würden unter der Erde schlummern, auch in den Torfmoorgebieten, heißt es. Macht Ihnen das als Umweltschützer:innen Angst?
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Kapedi: Ja, das bereitet uns tatsächlich Sorgen. Wir haben von Anfang an schlechte Erfahrungen mit der Ölforderung im Kongo gemacht. Ich habe mit Müttern in den Gemeinden gesprochen. Sie erzählen sogar von Krankheiten, die auf die Ölförderung zurückzuführen sind; von Nasenbluten, von Kindern mit Missbildungen. Außerdem sind Böden verschmutzt; die Menschen haben Probleme, Landwirtschaft zu betreiben.
Sollte sich das in den Moorgebieten wiederholen, wäre das eine Katastrophe, oder?
Sakasaka: Wir haben die Chance, es nun besser zu machen, indem wir von den schlechten Erfahrungen in Muanda lernen. Zum einen wurden die Technologien weiterentwickelt, die bei der Ölförderung zum Einsatz kommen. Das geht heute viel umweltschonender. Und auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen lassen sich anders gestalten, es kann mehr Kontrollen geben, mehr geschultes Personal. Es muss möglich für unser Land sein, nicht in Armut zu stagnieren. Denn um Krankenhäuser zu bauen, braucht der Staat Geld. Um Straßen zu bauen, brauchen wir Geld. Um unser Leben zu verbessern, brauchen wir Geld. Woher soll es kommen, wenn wir Ressourcen haben, die wir nicht nutzen?
Sie sagen, die Ölförderung könnte besser umgesetzt werden. Das würde die negativen Auswirkungen auf die Umwelt jedoch nur verringern, nicht ganz ausschließen. Glauben Sie, dass die Ölförderung Entwicklung mit sich bringt und dies schlicht einen Preis für die Umwelt hat?
Sakasaka: Ja, wenn ein Land sich entwickeln will, dann hat das immer einen Preis für die Umwelt.
Frau Kapedi, der Kongo ist ein Land, in dem sechzig Prozent der Menschen von weniger als 2,15 US-Dollar am Tag leben. Entwickelte Länder haben ihre Moore längst trockengelegt. Ist es da nicht nachvollziehbar, wenn auch der Kongo seine Moorgebiete wirtschaftlich nutzt?
Kapedi: Wir sollten uns nicht mit anderen Ländern vergleichen. Als zivilgesellschaftliche Akteurin fordern wir die Regierung zunächst dazu auf, an ihrer Regierungsführung und der Verbesserung der Infrastruktur zu arbeiten. In unserem Land gibt es keine Pipelines, um Öl und Gas zu fördern. Wir haben nicht mal Transportmöglichkeiten, weil viele Straßen kaputt sind. Wie können wir uns auf eine Ölförderung einlassen, wenn wir nicht einmal solche Grundbedingungen erfüllen?
Zugleich sind die Folgen der Klimakrise im Kongo längst spürbar. Immer wieder sterben Menschen bei Überschwemmungen und Erdrutschen; Regen- und Trockenzeiten verschieben sich, worunter Ernten leiden. Herr Sakasaka, wenn der Kongo nun noch mehr Brennstoffe auf den Weltmarkt bringt, würde das die Krise doch noch mehr beschleunigen, oder?
Sakasaka: Kein internationaler Vertrag und keine Konvention verbietet es einem Staat, seine Ressourcen zu nutzen. Im Gegenteil: Auf der Klimakonferenz COP 15 wurde 2015 in Paris vereinbart, dass Entwicklungsländer ihre fossilen Ressourcen ausbeuten dürfen, um eine gewisse wirtschaftliche Entwicklung zu erreichen. Alle großen Nationen der Welt haben sich entwickelt, indem sie auf Energie gesetzt haben. Und wenn wir schon über die Klimakrise reden: Die Emissionen Afrikas haben einen verschwindend geringen Anteil an den weltweiten CO2-Emissionen. Wir sind überhaupt nicht für diese Krise verantwortlich.
97,5 Prozent des Stroms im Kongo werden in umweltfreundlichen Wasserkraftwerken erzeugt. Frau Kapedi, ist es fair, wenn internationale Umwelt-NGOs nun den Kongo dazu bringen wollen, keine fossilen Brennstoffe zu produzieren?
Kapedi: Wir sollten nicht selbst auch noch zu Verursacher:innen der Klimakrise werden. Die Verantwortung tragen wir gemeinsam. Wir sollten unsere Position als ein Land verteidigen, das im Kampf gegen den Klimawandel Lösungen bietet. Und: Einen solchen Weg zu begehen, indem wir Wälder und Torfmoore schützen, wird dem Land ebenfalls Einnahmen bringen und es entwickeln.
Wie soll mit dem Schutz von Mooren Geld verdient werden?
Kapedi: Um unseren Torfmooren einen Wert zu geben, sollte die Regierung auf Kohlenstoff-Fonds setzen. Wer Torfmoore erhält und sie nicht wirtschaftlich ausbeutet, der bindet CO2-Emissionen. Länder, die viel CO2 ausstoßen, könnten die kongolesische Regierung dafür bezahlen,dass sie die Umwelt schützt und damit CO2 einspart. Das sind Zahlungen für das, was die Natur leistet.
Die Ausschreibung der Öl- und Gasfelder liegt inzwischen zwei Jahre zurück. Eigentlich sollten interessierte Ölfirmen sich binnen eines halben Jahres bewerben. Die Frist wurde jedoch bis heute mehrmals verlängert. Wie kann das sein, wenn es angeblich um so ein großes Geschäft geht?
Sakasaka: Ein Grund ist, dass es noch an präzisen geologischen Daten über die Erdölvorkommen mangelt. Und es liegt an den Schwächen des staatlichen Energieunternehmens, das bisher im Grunde nicht wettbewerbsfähig ist. Das führt dazu, dass einige große Investor:innen spät dran sind.
Kapedi: Als Umweltbewegung klären wir seit viele Jahren die Öffentlichkeit über die negativen Folgen der Erdölförderung auf. Ich denke, selbst Investor:innen beginnen zu verstehen, was wir meinen. Einige hatten sogar schon Verträge unterzeichnet – und dann von sich aus wieder zurückgezogen. Das zeigt: Wir bewirken tatsächlich etwas.