Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
Im Umgang mit Menschen auf der Flucht setzen europäische Staaten und die USA immer mehr digitale Techniken ein. Die Entwicklung geht so schnell, dass Menschenrechte auf der Strecke bleiben.
Amnesty International kritisiert in einem en zunehmenden Einsatz digitaler Technologien im Bereich Asyl und Migration. Das englischsprachige Papier mit dem Titel „Defending the Rights of Refugees and Migrants in the Digital Age“ betrachtet die Situation in der Europäischen Union sowie in Großbritannien und in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Migrations- und Asylpolitik werde zunehmend von digitalen Technologien geprägt, heißt es in dem Bericht. Während Menschenrechtsorganisationen seit langem schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen durch Regierungen bei der Abschreckung, Verhinderung, Zurückdrängung und Bestrafung von Menschen auf der Flucht dokumentierten, würden diese Praktiken nun vom Einsatz neuer digitaler Technologien überlagert, die von Privatunternehmen entwickelt würden.
Neue Bedrohung für Menschenrechte
Das habe neue Formen von öffentlich-privaten Partnerschaften und damit eine ganze Reihe von Menschenrechtsbedrohungen hervorgebracht, so der Bericht. Das Spektrum der Technologien reiche von elektronischer Überwachung, Satelliten und Drohnen bis hin zu Gesichtserkennung, „Lügendetektoren“ und Iris-Scanning. Der Bericht zeigt auch, wie europäische Staaten, darunter Deutschland, zunehmend Mobiltelefone von Asylsuchenden durchsuchen und dabei unverhältnismäßig deren Privatsphäre verletzen. Laut Amnesty International bestehe ein wachsender und dringender Bedarf, diese Technologien und ihre Auswirkungen zu untersuchen und zu verstehen.
So verstärkten diese Technologien Grenzregime und Diskriminierung aufgrund ethnischer Zugehörigkeit, nationaler Herkunft und Staatsbürgerschaft. Die eingesetzten „Technologien bergen die Gefahr, rassistische Vorurteile und Diskriminierung unter dem Deckmantel der Neutralität und Objektivität fortzusetzen und zu verschleiern, die in historischen und kolonialen Praktiken der rassistischen Ausgrenzung wurzeln.“
Amnesty: „Emotionserkennung verbieten“
Lena Rohrbach, Expertin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter bei Amnesty International in Deutschland, sagt: „Die Bundesregierung muss sich dafür einsetzen, dass neue Technologien nicht zu weiteren Menschenrechtsverletzungen für Schutzsuchende führen.“ KI-basierte, angebliche „Emotionserkennung“ führe zu Diskriminierung und Fehlern und müsse verboten werden – in Deutschland und in der EU. Massenüberwachung verletze zudem die Privatsphäre, sei es pauschales Durchsuchen von Handys oder die massenhafte Überwachung der Bewegungen von Menschen, so die Menschenrechtlerin weiter.
Laut dem Bericht ist es auch ein Problem, dass sich die Technologie schneller entwickelt als die Sicherheitsvorkehrungen und die Aufsicht, die erforderlich seien, um einen ständig wachsenden Technologiesektor zur Verantwortung zu ziehen.
Amnesty fordert deswegen neben der Bekämpfung von systematischem Rassismus unter anderem Menschenrechtsfolgenabschätzungen und Datenschutzfolgenabschätzungen, bevor digitale Werkzeuge eingeführt werden. Zudem sollten Betroffene mehr Rechte bekommen, wenn es um ihre Daten geht.
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Author: Markus Reuter