Drücken Sie „Enter“, um den Inhalte zu überspringen

KW 5: Die Woche, in der man in Greiz die Abreise von Geflüchteten feierte

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Die 5. Kalenderwoche geht zu Ende. Wir haben 17 neue Texte mit insgesamt 92.577 Zeichen veröffentlicht. Willkommen zum netzpolitischen Wochenrückblick.

– Fraktal, generiert mit MandelBrowser von Tomasz Śmigielski

Liebe Leser*innen.

Seit die Ampelregierung im Sommer zugestimmt hat, Abschiebelager an den EU-Außengrenzen zu errichten und Nancy Faeser dies als „historischen Erfolg“ feierte, dachte man ja, dass einen nichts mehr wirklich erschüttern kann. Nicht in dieser Debatte um den Umgang mit Geflüchteten. Eine Regierung mit Grünen und Sozialdemokraten, die es vertretbar findet, Familien in Gefängnissen festzuhalten und so zu tun, als hätten sie die EU nie betreten. Schlimmer konnte es eigentlich nicht mehr werden. Dachte ich da noch.

Dann kam das neue Jahr und die Diskussion über die Bezahlkarten ging wieder los. Genau genommen geht es weniger um Bezahlkarten, sondern mehr darum, wie man Geflüchteten das Leben in Deutschland noch unangenehmer machen könnte. Und da zeigte sich: Es geht noch schlimmer.

Hurra, die Geflüchteten flüchten

Eine CDU-Landrätin aus Greiz wurde da zitiert und eine dortige Geflüchtetenbetreuerin, die mit Unterstützung der BILD feiern durften, dass die Einführung der Bezahlkarte in ihrem Landkreis schon „Wirkung zeige“. Die ersten Asylsuchenden seien bereits abgereist. Woher sie diese Information nehmen, bleibt offen, die BILD fragt zumindest nicht nach. Zu groß die Freude über diesen vermeintlichen Erfolg. Hurra, wir haben es geschafft, Schutzsuchende zu vertreiben.

Überhaupt, die Berichterstattung. Auch jenseits der BILD fand in wenigen Medien eine Einordnung statt. Wo konnte man darüber lesen, dass es Bezahlkarten in Deutschland schon einmal gegeben hat? Dass sie damals scheiterten und woran? Dass Fachleute dem gesamten Narrativ der vermeintlichen Abschreckung durch Bezahlkarten widersprechen. Stattdessen verbreiteten viele unkritisch das zynische Freudengeheul aus Greiz.

Neuer Mut

In dieser Branche zu arbeiten, macht in diesen Tagen aber auch wieder Mut. Es waren investigative Recherchen der Redaktion Correctiv, die dafür sorgten, dass in ganz Deutschland mehr Menschen aus Protest gegen die AfD und rassistische Politik auf die Straße gehen als je zuvor. Andere Medien ziehen jetzt mit weiteren Recherchen nach und decken auf, was wir seit langem ahnten: wie tief die AfD mit rechtsradikalen Verfassungsfeinden verstrickt ist.

Wir müssen unseren Job noch besser machen in diesen Tagen. In Zeiten, in denen die AfD mit anderen Rechtsradikalen Vertreibungspläne schmiedet und andere die Vertreibung von Geflüchteten dank Bezahlkarten feiern, reicht es nicht, die Pressekonferenz mitzutippen.

Wir müssen das einordnen, zerpflücken, den Unsinn benennen. Das ist unser Job. Und der wird in diesen Tagen noch viel wichtiger als sonst.

Ein kämpferisches Wochenende und gute Nerven wünscht euch

Chris


Manganknollen: Dreckiger Schatz auf dem Tiefseeboden

Norwegen will als erstes Land weltweit vor seiner Küste Mangan und andere seltene Metalle abbauen. Die Rohstoffe werden unter anderem für den Bau von Autobatterien verwendet. Gegen den Tiefseeabbau gibt es allerdings Widerstand – und zwar weltweit. Denn er hat mutmaßlich katastrophale Folgen für die Um- und Tierwelt auf dem Meeresgrund. Von Zeynep Yirmibesoglu –
Artikel lesen

Breakpoint : Die Verherrlichung von Essstörungen braucht kein Internet

Die Verherrlichung von Essstörungen ist kein Phänomen des Internets, sondern ein gesellschaftliches. Deswegen können Maßnahmen im Netz allein das Problem nicht lösen. Von Carla Siepmann –
Artikel lesen

Amazon brüskiert Ausschuss: EU-Abgeordnete wollen Lobbyist:innen aussperren

Seit Monaten versuchen EU-Abgeordnete, Amazon über Vorwürfe zu schlechten Arbeitsbedingungen zu befragen. Schon zum dritten Mal fand das Unternehmen dafür keine Zeit. Als Konsequenz wollen die Abgeordneten nun Lobbyist:innen den Zugang zum Parlament verwehren. Von Maximilian Henning –
Artikel lesen

Überwachung: Wie sich die Ukraine auf den Frieden vorbereiten kann

Die Ukraine benutzt seit der russischen Invasion vor bald zwei Jahren auch KI-Gesichtserkennungssysteme. Das könnte rechtlich problematisch werden, weil das Land so bald wie möglich in die EU will. Expert:innen gaben letzte Woche einige Tipps, wie sich das Land darauf vorbereiten könnte. Von Maximilian Henning –
Artikel lesen

Grundrechte: Europäischer Datenschutzbeauftragter lehnt freiwillige Chatkontrolle ab

Vor dem Start der Verhandlungen um die freiwillige Chatkontrolle schlägt der Europäische Datenschutzbeauftragte Alarm. Die geplanten Regeln würden Grundrechte missachten und dürften nicht einfach so durchgewunken werden, warnt der polnische Jurist. Von Tomas Rudl –
Artikel lesen

Sexualisierte Bilderfälschungen: Die Deepfake-Flut

Twitter und Microsoft stehen in der Kritik: Über Musks Plattform gingen gefälschte Nacktbilder von Taylor Swift viral, die offenbar mit einem Microsoft-Dienst erstellt worden waren. Verantwortung wollen die Konzerne aber nicht übernehmen. Ein Kommentar. Von Constanze, Chris Köver –
Artikel lesen

Automatisierte Polizeidatenanalyse: Bayern testet rechtswidrig Palantir-Software

Der Polizei in Bayern fehlt eine Rechtsgrundlage für den aktuellen Testeinsatz von Palantir-Software. Der bayerische Datenschutzbeauftragte fordert, den Test der Analyse-Software einzustellen. Auch die Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags begründen nun, warum sie die Erprobung mit Daten echter Menschen für rechtswidrig halten. Von Constanze –
Artikel lesen

Veranstaltung: Netzpolitischer Abend zu Daten und Flucht

Am 6. Februar findet online und in der c-base Berlin ein netzpolitischer Themenabend statt. Es geht um die Digitalisierung im Migrationsbereich: um Bezahlkarten, das Ausländerzentralregister und den Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei der Migrationskontrolle. Von Anna Biselli –
Artikel lesen

Mitgliedstaaten blockieren weiter: Richtlinie zu Plattformarbeit liegt in Trümmern

Die EU-Länder wollen den im Dezember erreichten Kompromiss nicht akzeptieren, das Parlament keine nachträglichen Zugeständnisse an die Mitgliedstaaten. Damit scheint das Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen auf den letzten Metern zu kippen. Noch wird aber weiterverhandelt. Von Maximilian Henning –
Artikel lesen

EU-Parlament: Freiwillige Chatkontrolle soll in die Verlängerung

Weil die Verhandlungen zur verpflichtenden Chatkontrolle-Verordnung haken, soll das freiwillige Scannen länger als bisher vorgesehen erlaubt sein. Der federführende Ausschuss des EU-Parlaments hat seine Position beschlossen, nun soll es schnell gehen. Von Anna Biselli –
Artikel lesen

Standortdaten: Tracking-Firma will Milliarden Handys überwachen können

Recherchen von 404 Media zeigen auf, wie sich der weltweite Datenhandel der Werbeindustrie zur Massenüberwachung einsetzen lässt. Ein kommerzielles Werkzeug soll die Wohnadressen und engsten Kontakte von Zielpersonen verraten – und auf Wunsch sogar ihre Handys hacken können. Zur anvisierten Zielgruppe gehören Geheimdienste. Von Zeynep Yirmibesoglu, Sebastian Meineck –
Artikel lesen

Biometrie: Amazon arbeitet weiterhin US-Polizeien zu

Vor Jahren hatte Amazon angekündigt, seinen Rekognition-Dienst für Gesichtserkennung nicht mehr für US-Polizeien anzubieten. Das Unternehmen arbeitet aber weiterhin mit dem FBI zusammen – und gewährt der Behörde womöglich Zugriff auf andere biometrische Methoden. Von Tomas Rudl –
Artikel lesen

Bezahlkarten für Geflüchtete: Viel Spielraum für die Bundesländer

Eine Bezahlkarte für Asylsuchende ohne eigenes Konto könnte ein Weg zu mehr Teilhabe sein. Doch die Bundesländer machen aus dem Zahlungsmittel ein Instrument für mehr Kontrolle und vermeintliche Abschreckung. Von Anna Biselli, Chris Köver –
Artikel lesen

Bezahlkarten für Geflüchtete: Menschenwürde bleibt im Konjunktiv

Statt auf Teilhabe setzen viele Politiker:innen bei Bezahlkarten auf Abschreckung und Kontrolle. Geflüchtete werden so Opfer von billigem Populismus. Ein Kommentar. Von Anna Biselli –
Artikel lesen

Gesetz gegen Schleusungskriminalität: Die EU will Europol aufrüsten, ohne die Folgen abzuschätzen

Mit der Begründung, Schleusungen zu bekämpfen, will die EU ihre Behörden weiter aufrüsten. Es geht um mehr Personal und Rechte für Europol und auch Frontex. Der europäische Datenschutzbeauftragte warnt vor einer „erheblichen Ausweitung der Verarbeitung biometrischer Daten“. Von Anna Biselli –
Artikel lesen

EU-Rat: KI-Verordnung erhält grünes Licht

Die EU-Mitgliedstaaten haben heute den Kompromisstext der KI-Verordnung bestätigt. Das größte Regelwerk der Welt für Künstliche Intelligenz wird damit wahrscheinlich noch vor den EU-Wahlen in Kraft treten – ungeachtet der breiten Kritik am gesetzgeberischen Prozess und an der drohenden Massenüberwachung. Von Daniel Leisegang –
Artikel lesen

Verbraucherschutz: EU ebnet Weg für günstige Reparaturen

In der Nacht zu Freitag haben sich EU-Parlament, Rat und Kommission auf einen Kompromiss zum Recht auf Reparatur geeinigt. Aus Sicht der Bürger*innen sieht die Einigung zahlreiche Verbesserungen vor. Ein ebenfalls geplantes Reparaturgesetz der Bundesregierung sollte sich jetzt an Frankreich orientieren. Von Gastbeitrag, Maximilian Voigt –
Artikel lesen


Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.

Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel

Author: Chris Köver

Views: 0
Picknick in der abenddämmerung : die niceria box juni 2024.