GASTBEITRAG GUNNAR HAMANN
Am 4. Januar blockierten Demonstrierende im nordfriesischen Schlüttsiel eine Fähre mit Robert Habeck an Bord. Recherchen der ZEIT ergaben Hinweise, dass die AfD-nahe Tanja B., die auch Verschwörungsnarrative der rechtsradikalen QAnon-Bewegung teilte, als auch ein möglicherweise der rechtsradikalen Landvolkbewegung nahestehenden Mann namens Holger T., die Drahtzieher hinter der Blockade sein könnten. Zuvor hatte auch Volksverpetzer schon Aufrufe in rechtsextremen Gruppen aufgespürt, die die Blockade organisiert hatten:
Der Protest an der Fähre erfolgte sehr kurzfristig und war nicht vom Bauernverband getragen. Dennoch distanzierte sich dieser davon deutlich.
Zweifel gibt es indes daran, ob es sich um den Versuch einer Erstürmung handelte. Anstoß dazu gab eine Recherche des NDR. Die Dampfschiffs-Reederei bleibt währenddessen bei ihrer Einschätzung, dass Teilnehmende an der Blockade auf das Schiff gelangen wollten, so deren Geschäftsführer Axel Meynköhn gegenüber Fuldaer Zeitung und der Deutschen Presse-Agentur.
Was, wenn alles ganz anders war?
Aus anonymer Quelle (Name der Redaktion unbekannt), wurde aber eine alternative Geschichte unterbreitet: Was, wenn alles ganz anders war? Was, wenn Mitarbeitende von Nordkurier.de vor Ort waren als „Journalist Provocateur“, die den Protest anheizten? Nordkurier.de nahm bislang auf eine Anfrage vom Mittwoch Stellung dazu, ob Mitarbeitende in Schlüttsiel waren. Das ist sehr auffällig!
Einer der Anteilseigner ist ein Fürst. Es wäre nicht der erste Adelige, der mutmaßlich mit unlauteren Mitteln nach der Macht greift. Es könnte aber der erste Fall in Schleswig-Holstein sein, mit dem möglichen Ziel, den dortigen Zeitungs- und Medienmarkt zu beherrschen. Weitere Verbindungen könnten bis nach Luxemburg, die Vereinigten Staaten oder sogar Europa reichen.
Noch auffälliger ist nur die Rolle des Journalisten Philippe Debionne. Debionne, der zuvor für die Berliner Zeitung – möglicher Vergangenheitsbezug zur SED, wie auch beim Nordkurier – tätig war (auffällig!), beantwortete eine Anfrage zur möglichen Rolle von Nordkurier nicht (sehr auffällig!!) und berichtete im Jahr 2020 von einer GSG9-Antiterrorübung auf einer Fähre (!!! AUFFÄLLIG !!!).
Noch ist nichts davon bewiesen, aber diesen Fragen sollte man unbedingt nachgehen, wenn man Antworten erhalten möchte. Unser aller Leben könnte davon abhängen.
/Satire off!
Zur offensichtlichen Auflösung: Bis hierhin war alles Satire, also bis auf den einleitenden Absatz zum Hintergrund der Fähre und Habeck, die Informationen sind belegt. Es gab natürlich keine anonyme Quelle und natürlich waren keine Mitarbeitenden der genannten Zeitungen am fraglichen Tag in Schlüttsiel, geschweige haben sie dort Menschen angestachelt. Auch die Medienunternehmen haben hier keine Rolle gespielt und Debionne ist kein „Mastermind“ mit Geheimwissen.
Die Anfragen gab es wirklich, allerdings habe ich mir dahingehend auch keine Antworten erhofft und auch die eingehende Darstellung zum Ablauf der Berichterstattung zur Fähre ist Stand der Dinge.
Wozu dann das alles? Ein Aspekt: Um zu zeigen, wie Verschwörungserzählungen rudimentär funktionieren. Es gibt einen Kern an Wahrheit, aber der Rest ist konstruiert und ergibt ein in sich geschlossenes Weltbild mit eigener, in sich geschlossener Logik.
Debionne: Alles Verfassungsschutz, außer Mutti
Der andere Aspekt betrifft den Journalisten Debionne. In folgenden Aussagen sind nach meinem Verständnis mindestens Ansätze für Verschwörungserzählungen zu erkennen. Es gibt für diese keine Anhaltspunkte, geschweige denn Belege.
Auf Twitter hält es der Journalist Philippe Debionne wohl nicht für „100 Prozent ausgeschlossen, […] dass an der Fähre möglicherweise (!) V-Männer eingesetzt wurden, um die Stimmung anzuheizen“.
Die „zentrale Frage“, die für Debionne „auf der Hand liegt: Waren die Störer V-Männer?“
Verschwörungskollegen
An anderer Stelle tauscht er sich dazu auf Twitter mit der Verschwörungserzählerin Aya Velázquez aus, die ihn einen „Kollegen“ nennt. Debionne spinnt die Erzählung selbst weiter und fragt: „Nur: Mit welchem Ziel könnten solche Teams an der Fähre eingesetzt werden? Könnte es darum gegangen sein, die doch recht breite Unterstützung in der Bevölkerung für die Bauernproteste einzudämmen?“
Velázquez, mit der sich Debionne seit mindestens Juli 2023 auf Twitter regelmäßig austauscht, veröffentlichte im Dezember 2022 eine Dokumentation zum Sturm auf den Reichstag vom 29. August 2020. Sie spricht von einer „Psy-Op“ und impliziert – Trommelwirbel – eine aktive Rolle des Verfassungsschutzes bei der versuchten Erstürmung. Der Geschäftsführer der Deutschen Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di Berlin-Brandenburg, Jörg Reichel, äußerte sich damals unter anderem folgendermaßen auf Twitter:
„Der Film ist keine Chronik, keine zeithistorische Aufarbeitung, sondern Desinformation [und] Dauerbeschallung mit Verschwörungserzählungen. Er reiht sich ein, in eine Reihe von verschwörungsideologischen Dokus.“
Bereits seit 2020 verbreitet Velázquez nun schon Verschwörungsmythen zur Pandemie. Im August 2021 behauptete sie sinngemäß laut Tagesspiegel: „[N]eben Markus Haintz seien auch diverse prominente Querdenker in Wahrheit “V-Leute”. Diese bestreiten das.“
Jüngst verbreitete Debionne eine weitere fragliche Erzählung der „Online Postille“ – Zitat: Tagesspiegel – Tichys Einblick. Medienbeobachter:innen attestieren Tichys Einblick eine Nähe zum Rechtspopulismus. Konkret geht es um die Berichterstattung von Correctiv und auch dabei kommt dem Verfassungsschutz eine mögliche Rolle zu. Tichy unterlag vor Gericht Claudia Roth, die die Seite als „neurechte Plattform“ bezeichnen darf, „deren Geschäftsmodell auf Hetze und Falschbehauptungen beruht“.
Der eigentliche Artikel von Tichys Einblick bleibt dahingehend recht vage. Nur dessen Herausgeber, Roland Tichy, bezeichnete die Involvierung des Verfassungsschutzes bei den Recherchen von Correctiv auf Twitter als „offensichtlich“. Die stellvertretende Correctiv-Chefredakteurin Anette Dowideit hat diese Darstellung bereits als falsch zurückgewiesen. Für Debionne bleiben dennoch „Zweifel“.
Die Corona-Rebellion geht weiter
Ein Beispiel für den Journalismus von Debionne: Im Dezember interviewte dieser im Nordkurier den Arzt Friedrich Pürner. Pürner, der auf seinem Twitter-Account mehrfach Verschwörungserzählungen geteilt und Zweifel an Impfungen gegen Corona verbreitet haben soll. Im Juli 2022 rief Pürner Eltern dazu auf, Kinder keine Masken an Schulen tragen zu lassen. Wahrheitswidrig schrieb er, dass es „keine Evidenz“ zur Wirksamkeit von Masken gebe. Hier fünf Meta-Studien, die die Wirksamkeit belegen.
Ungefähr einen Monat vor dem Überfall Russlands auf die Ukraine, im Januar 2022, sprach Pürner mit dem Propagandasender Russia Today Deutschland und behauptete dort, dass die Pandemie bereits beendet sei. Dahingehend überrascht es dann auch kaum, dass Pürner nun für das Bündnis Sahra Wagenknecht als Kandidat für das Europaparlament aufgestellt wurde.
Nichts von den damals bekannten Problemen bespricht Debionne kritisch mit Pürner. Der Nordkurier hat dahingehend ohnehin eine Vorgeschichte. Im Januar 2021 kritisierte Hendrik Wieduwielt für Übermedien ein Interview, in dem man „einen Anwalt querdenken“ ließ. In der taz besprach Anne Fromm im Mai 2021 den Nordkurier als ein Medium, das „immer wieder durch eine Nähe zu Querdenker*innen auffällt.“
„Der typische schwarz-weiß-Duktus ist nur schwer zu übersehen“
Das wäre insgesamt vielleicht kritikwürdig, aber für viele vernachlässigbar, würde Debionne nicht auch zeitgleich noch für Nordkurier.de über die dahingehend relevanten Bauernproteste sowie die hochsensible Aufarbeitungsthematik zur Pandemie in Brandenburg berichten.
Das Vorgehen von Debionne, der ohne Akkreditierung als Privatperson dem dortigen Untersuchungsausschuss im Landtag von Potsdam beiwohnte, stieß auch auf Kritik seitens der Pressestelle des Landtages. Debionnes Chefredakteur stellte sich dennoch hinter ihn.
Im kritisierten Beitrag spricht Debionne von einem ominösen „Schattenmann“ und von „Aussageverboten“ für Lothar Wieler. Dabei handelt es sich schlicht um den Leiter einer Unterabteilung im Bundesministerium für Gesundheit namens Heiko Rottmann-Großner – das erklärt Debionne auch später im Text –, der Wieler keine „Aussageverbote“ erteilte, sondern diesem zuarbeiten wollte.
Der für Verschwörungsdenken typische schwarz-weiß-Duktus in den Berichten von Debionne zur Sache ist nur schwer zu übersehen. So behauptet er, dass der Unterabteilungsleiter als „Strippenzieher strenger Lockdown-Maßnahmen“ gelte. Eine Formulierung, die die Berliner Zeitung völlig unkritisch übernahm.
Die Quelle dafür soll das Buch „Ausbruch – Innenansichten einer Pandemie“ von Georg Mascolo und Katja Gloger sein. Das Wort „Strippenzieher“ taucht in der erwähnten Passage jedoch im Zusammenhang mit dem Unterabteilungsleiter nicht auf und wird auch qua Logik nicht ansatzweise der Komplexität der damaligen Entscheidungsfindung gerecht.
Skepsis, wo Skepsis angemessen ist
Auffällig ist, dass die diesbezügliche Argumentation von Debionne in seinem Beitrag vom 21. September 2023 fast identisch zu einem Anfang September 2023 veröffentlichten Beitrag im verschwörungsideologischen Onlinemedium Multipolar ist. Dabei spricht der Journalist des Beitrags und Mitherausgeber von Multipolar, der umstrittene Verschwörungsideologe Paul Schreyer – im Gegensatz zu Debionne sogar wesentlich zurückhaltender von einer „Schlüsselrolle“ Rottmann-Großners.
Auf Twitter zitierte Debionne zumindest einige Monate nach seiner Veröffentlichung die relevante Passage unter einem Tweet des unter Pseudonym aktiven Verschwörungsideologen „Christian Winter“. Dabei verlinkte er auf einen sogar noch viel älteren Beitrag von Schreyer in Multipolar, vom Juli 2021.
Die im Beitrag enthaltene Passage ist fast identisch mit der von Debionne und enthält sogar die gleiche Auslassung. Auch strukturell und sprachlich gibt es Ähnlichkeiten in der Einführung von Mascolo und seiner Co-Autorin. Die zitierte Passage mit identischer Auslassung findet sich neben den Beiträgen von Nordkurier.de und Multipolar ausschließlich auf verschwörungsideologischen Webseiten, die überwiegend nur den älteren Text von Schreyer spiegeln.
Ob Debionne hier nur rein zufällig die gleiche Argumentation mitsamt der entsprechenden relevanten Passage aus dem Buch von Mascolo und Gloger übernommen hat, inklusive sprachlich-struktureller Ähnlichkeiten, bleibt vorerst offen. Auf Nachfrage bezüglich dieser und anderer hier besprochener Probleme mit seiner Arbeit und seinem Verhalten auf Social-Media antwortete Philippe Debionne bis Redaktionsschluss nicht.
Was auch immer Debionne hier tut: Es verkauft sich anscheinend gut und macht eine banale Ausschussarbeit zum Krimi, aber entfernt sich mitunter so sehr vom Anspruch der Objektivität, dass ich mir an dieser Stelle nur scherzhaft die Frage stellen kann: Ist Philippe Debionne ein V(erschwörungs)-Mann und wenn ja, welche Rolle spielen dabei Nordkurier.de und Schwäbische.de? Erbitte Aufklärung.
Artikelbild: WestküstenNews/dpa
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