Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.
Die EU hat vor zwei Jahren eine Verordnung gegen terroristische Online-Inhalte beschlossen. Diese steht seit Anfang an in der Kritik, weil auch unproblematische Inhalte ins Visier geraten könnten – und so die Meinungsfreiheit bedroht ist. Deswegen klagen nun sechs Organisationen gegen das Gesetz.
Sechs Organisationen haben in Frankreich Beschwerde (PDF) gegen das französische Dekret zur Umsetzung der EU-Verordnung zur Bekämpfung der Verbreitung terroristischer Online-Inhalte („TERREG“) eingereicht. Das Bündnis umfasst La Quadrature du Net, Access Now, Article 19, European Center for Not-for-Profit Law, Wikimedia Frankreich und European Digital Rights (EDRi).
Die NGOs wollen, dass das französische Gericht den Europäischen Gerichtshof anruft, die Gültigkeit der Verordnung im Hinblick auf die Grundrechte zu prüfen.
Die Verordnung ermöglicht Strafverfolgungsbehörden von EU-Staaten Websiten, Social-Media-Plattformen und Hoster anzuweisen, innerhalb von einer Stunde alle Inhalte zu sperren, die mutmaßlich terroristischer Natur sind – und zwar in allen Mitgliedstaaten der EU.
Das Bündnis schreibt in einer Pressemitteilung:
Diese Diensteanbieter können auch gezwungen werden, „spezifische Maßnahmen“ zu ergreifen, um die Veröffentlichung terroristischer Inhalte zu verhindern. Zu diesen „besonderen Maßnahmen“, deren Auswahl im Ermessen der Diensteanbieter liegt, können beispielsweise automatische Upload-Filter gehören, die alle Inhalte vor der Veröffentlichung überprüfen.
Solche automatisierten Systeme sind nicht in der Lage, den Kontext der Veröffentlichung zu berücksichtigen und sind bekanntermaßen anfällig für Fehler, die zur Zensur geschützter Äußerungen wie Journalismus, Satire, Kunst oder Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen führen.
Darüber hinaus könnte die Verpflichtung, „spezifische Maßnahmen“ zu ergreifen, gegen das Verbot verstoßen, eine allgemeine Überwachungspflicht gemäß dem Gesetz über digitale Dienste aufzuerlegen.
Die NGOs haben die potenziellen Grundrechtsverletzungen der Verordnung kritisiert, seit die Kommission das Gesetz 2018 vorgeschlagen hat.
Freie Meinungsäußerung bedroht
Die Terrorismusbekämpfung sei zwar ein wichtiges Ziel, sagen die Organisationen. Aber die TERREG-Verordnung bedrohe die freie Meinungsäußerung und den Zugang zu Informationen im Internet, indem sie Strafverfolgungsbehörden die Befugnis gibt, zu entscheiden, was online gesagt werden darf. Dies geschehe, ohne dass eine unabhängige gerichtliche Überprüfung stattfinde.
Dieses Problem war immer wieder auch vor dem Hintergrund von autoritärer werdender EU-Staaten wie Polen und Ungarn diskutiert worden, die die Verordnung zur europaweiten Entfernung oppositioneller Inhalte nutzen könnten.
Das Gesetz stärke nach Meinung des Bündnisses zudem die Hegemonie der größten Online-Plattformen, da nur sehr wenige Plattformen derzeit in der Lage sind, die Verpflichtungen gemäß TERREG zu erfüllen. Bürgerrechtsorganisationen warnen schon seit Jahren vor dem Gesetz.
Die Beschwerdeführer erwarten, dass die französische Regierung in den nächsten Monaten ihre Argumente zur Verteidigung des Falles vorbringen wird. Die Entscheidung des französischen Gerichts wird nicht vor dem nächsten Jahr erwartet.
Die Arbeit von netzpolitik.org finanziert sich zu fast 100% aus den Spenden unserer Leser:innen.
Werde Teil dieser einzigartigen Community und unterstütze auch Du unseren gemeinwohlorientierten, werbe- und trackingfreien Journalismus jetzt mit einer Spende.
Zur Quelle wechseln
Zur CC-Lizenz für diesen Artikel
Author: Markus Reuter