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EU-Empfehlungen gegen Wahlmanipulation: Wenn ein Deepfake-Video Quatsch im Wahlkampf erzählt

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

EU-Empfehlungen gegen WahlmanipulationWenn ein Deepfake-Video Quatsch im Wahlkampf erzählt

Deepfakes, zu Geld gemachte Desinformation und groß angelegte Manipulationskampagnen im Netz: Mit einem Maßnahmenbündel bereitet sich die EU-Kommission auf das Superwahljahr 2024 vor. Ob sich sehr große Online-Dienste wie X daran halten werden, bleibt vorerst offen.


Tomas Rudl – in Demokratie2 Ergänzungen
Empfehlungen der EU-Kommission sollen sehr großen Online-Diensten dabei helfen, die Manipulation von Wahlen einzuschränken. (Symbolbild) – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Panama Pictures

Die EU versucht, der neuen politischen Realität zu begegnen: Manipulierte oder mit Hilfe sogenannter Künstlicher Intelligenz (KI) hergestellte Fake-Videos oder Tonaufnahmen sind keine Zukunftsvision mehr, sondern längst weltweit in Wahlkämpfe eingezogen. Der Ort für solche Inhalte sind oft soziale Medien, wo sie sich mitunter viral verbreiten, etwa bei der letzten Parlamentswahl in der Slowakei.

Gegen die krassesten Formen von Wähler:innentäuschung sollen gestern von der EU-Kommission vorgestellte Leitlinien helfen. Sie richten sich an sehr große soziale Netzwerke und Suchmaschinen, sogenannte VLOPs und VLOSEs mit über 45 Millionen aktiven europäischen Nutzer:innen. Darunter fallen etwa Facebook, X, TikTok, aber auch Google.

Das grundsätzlich freiwillige Regelwerk ist Teil des Digital Services Act (DSA) und soll den Anbietern als Richtschnur bei der Eindämmung systemischer Risiken dienen. Dazu sind sie gleichwohl verpflichtet: Sie müssen eine Risikobewertung ihrer Dienste vornehmen und dazu jährliche Berichte abliefern. Berücksichtigen müssen sie dabei unter anderem „alle tatsächlichen oder absehbaren nachteiligen Auswirkungen auf die gesellschaftliche Debatte und auf Wahlprozesse und die öffentliche Sicherheit“, wie es im DSA heißt.

Gegen Deepfakes und Desinformationskampagnen

Das sollen nun die Leitlinien konkretisieren, die nach einer öffentlichen Konsultation erarbeitet wurden. Ziel des Maßnahmenbündels ist es, „dass wir mit ihnen bei den anstehenden Europaparlamentswahlen besser geschützt sind – etwa vor eventuellen Deepfakes – und besser mit ausländischen Desinformationskampagnen umgehen können“, sagte gestern die Kommissionsbeamtin Renate Nikolay bei einem Pressegespräch in Berlin. Zugleich betont die Kommission, dass dabei Grundrechte wie jenes auf freie Meinungsäußerung gewahrt bleiben müssen.

Einige naheliegende Empfehlungen dürften so manchem Anbieter nicht schmecken, etwa die Forderung nach ausreichend ausgestatteten Moderationsteams, die mit länderspezifischen Details und mit der jeweiligen Sprache vertraut sind. Das kostet Geld – das beispielsweise der Milliardär Elon Musk nicht gewillt ist auszugeben. Er hat seit seiner Übernahme von Twitter (nun X) massenhaft Mitarbeiter:innen für Moderation und Sicherheit entlassen. Inzwischen untersucht die Kommission, ob das Unternehmen damit gegen den DSA verstößt.

Mehr Medienkompetenz und verlässliche Informationen

Darüber hinaus sollen die Online-Dienste Initiativen zur Medienkompetenz umsetzen und sich mit Behörden sowie zivilgesellschaftlichen Gruppen und Expert:innen austauschen. Auch sollen sie den Zugang zu offiziellen Informationen über Wahlprozesse fördern, etwa Details zu Wahllokalen. Zu mehr Aufklärung sollen Hinweise bei Online-Inhalten führen, die durch unabhängige Faktenchecks als Desinformation entlarvt worden sind. Die virale Ausbreitung möglicher Falschnachrichten sollen mehr oder weniger subtile Designelemente eindämmen – etwa Hinweise darauf, einen Artikel erst zu lesen, bevor man ihn mit Schaum vor dem Mund teilt.

Das Produktdesign der Anbieter berührt auch der Vorschlag, die weitgehend undurchsichtigen Empfehlungssysteme nachvollziehbarer für Nutzer:innen zu gestalten. So sollen sie mehr Kontrolle darüber erhalten, was ihnen die algorithmischen Systeme in den Feed spülen. Zugleich sollen etwa Accounts, die wiederholt und nachweisbar Falschinformationen verbreiten, in ihrer Reichweite beschränkt werden. Finanzielle Anreize, die ebenfalls eine Rolle bei der Verbreitung von Desinformation spielen, sollen durch die Demonetarisierung einschlägiger Inhalte ausgehebelt werden.

Freiwillig vorgreifen sollen die Online-Dienste ferner auf die Ende des Vorjahres verabschiedete, aber nicht rechtzeitig in Kraft tretende EU-Verordnung für politische Online-Werbung. So sollen etwa entsprechende Anzeigen eindeutig gekennzeichnet werden. Zuletzt wurde etwa bekannt, dass die rechtskonservative Fidesz-Regierung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán hetzerische Online-Anzeigen im EU-Ausland geschaltet hatte, um politischen Verbündeten zu helfen.

Täuschend echt wirkende Manipulation mit Mausklick

Besonderes Augenmerk richten die Leitlinien auf sich zuletzt rasant verbreitende Erzeugnisse generativer KI, etwa Texte von ChatGPT oder Deepfake-Videos. Die Online-Dienste sollen dabei spezifische Risiken bewerten und gegebenenfalls mindern, etwa mittels einer klaren Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten.

Dass an frei erfundenen, aber womöglich authentisch wirkenden Inhalten klebende Wasserzeichen oder sonstige Markierungen nicht der Weisheit letzter Schluss sind, ist der Kommission offenkundig bewusst. Sie widmet der Problematik eine ganze Reihe an Empfehlungen. Indes steht es den Online-Diensten frei, potenziell bessere Ansätze zu wählen. Die können auch aus der Zivilgesellschaft kommen, die sich darüber ebenfalls seit geraumer Zeit den Kopf zerbricht. Mit plumpen Verboten, wie es etwa unlängst das Landgericht Berlin versucht hatte, ist es jedenfalls nicht getan.

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Author: Tomas Rudl

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