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Immer wieder wurde die Einführung des neuen Ein-/Ausreisesystems der EU verschoben, nun soll es Ende 2024 kommen. Alle Reisenden aus Drittstaaten müssen dann ihre biometrischen Daten abgeben. Das verlängert Grenzkontrollen drastisch.
Pilotprojekt des Ein-und-Ausreisesystems an einem Flughafen – FrontexNach mehreren Verschiebungen will die EU das seit rund zehn Jahren geplante Ein-/Ausreisesystem (EES) in einem Jahr endgültig in Betrieb nehmen. Dann müssen alle, die aus Drittstaaten in den Schengenraum einreisen, beim Grenzübertritt ihre biometrischen Daten abgeben. Bislang werden die Fingerabdrücke und ein Gesichtsbild nur bei Visa-Antragssteller:innen und Asylsuchenden verlangt. Das neue EES schreibt dies auch für Reisende vor, die aus Staaten kommen, mit denen die EU ein Abkommen zur Visafreiheit abgeschlossen hat.
Mit der Einführung des EES erwarten die Grenzbehörden lange Warteschlangen an den Landaußengrenzen der EU und vor allem an Flughäfen. Deshalb hatte die Regierung in Frankreich gefordert, die europaweite Einführung des EES auf einen Zeitpunkt nach den Olympischen Spielen im kommenden Sommer zu verschieben. Diese Entscheidung ist nunmehr getroffen: Das System wird nach Informationen von netzpolitik.org im vierten Quartal 2024 an den Start gehen.
Unterstützung von Frontex
Mit dem anfangs als „Smart Borders“ bezeichneten EES wollen die Behörden feststellen, ob Angehörige aus Drittstaaten ihr Visum überziehen und nicht wie vorgeschrieben nach drei Monaten ausreisen. Die biometrischen Daten können auch von Polizeibehörden für Fahndungszwecke oder zur Gefahrenabwehr genutzt werden.
Für den Aufbau und den Betrieb des EES ist die EU-Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen (eu-LISA) in Tallinn zuständig. Jeder Schengen-Mitgliedstaat muss außerdem nationale Systeme zur Erfassung der erforderlichen Informationen für das EES einrichten. Hierfür unterstützt Frontex die zuständigen Behörden, etwa mit Trainings und Handreichungen.
Die EU-Grenzagentur hat bereits Pilotprojekte durchgeführt, um die befürchteten Wartezeiten mit technischen Mitteln zu verkürzen. In Gibraltar, wo nach dem Brexit die spanische Grenzpolizei für Kontrollen zuständig ist, haben laut Frontex mehr als 11.500 Reisende testweise eine App genutzt. In Bulgarien wurde ein System an der Grenze zur Türkei erprobt, das die Gesichter von Fahrzeuginsassen scannt, ohne dass diese aussteigen müssen.
Tests an deutschen Flughäfen
Im Zentrum der Anstrengungen zur Verkürzung von Wartezeiten steht eine App. Reisenden sollen sie sich vor ihrem Grenzübertritt herunterladen und darüber Angaben zu ihrem Besuch in den EU-Staaten machen. Mit der Entwicklung hat Frontex die Bundespolizei beauftragt. Die App richtet sich ausschließlich an Reisende mit Kurzzeitvisa oder aus Ländern, mit denen die EU Abkommen zur Visafreiheit geschlossen hat.
Die Anwendung ist bereits fertig programmiert und wird seit Januar am Münchener Flughafen auf zwei Flugrouten getestet. Passagiere der Lufthansa und von Turkish Airlines können diese auf den Strecken nach Tiflis und Istanbul freiwillig nutzen. Für diesen Testbetrieb haben die Fluggesellschaften mit Frontex und der Bundespolizei eine „Fokusgruppe Munich Smart Borders“.
App verlangt Angaben zur Reise
Ende April haben Frontex und die Bundespolizei auf einer Konferenz in München erste Ergebnisse des Pilotprojekts vorgestellt. Eine Präsentation der Bundespolizei gibt Aufschluss über die Funktionsweise der App. Demnach sollen die Reisenden ihre geplante Aufenthaltsdauer im Schengen-Raum, den Grund der Reise und anvisierte Reisezielen offenlegen. Außerdem müssen sie Angaben zur mitgeführten Bargeldmenge, zur Verfügbarkeit einer Kreditkarte und zum Vorhandensein einer Reisekrankenversicherung machen.
Anschließend erstellt die App einen QR-Code, den die Reisenden bei der Grenzkontrolle am Flughafen vorzeigen müssen. Biometrische Daten sind in diesem System nicht enthalten. Diese müssen die Reisenden vor der Grenzkontrolle an Selbstbedienungskiosken abgeben, die zur Einführung des EES in allen EU-Staaten aufgestellt werden. Die Fingerabdrücke werden dann an eine „integrierte Grenzkontrollanwendung“ übertragen. Zugriff darauf haben die Grenzbeamt:innen, die am Ende der Prozedur die eingegebenen Daten mit der angetroffenen Person abgleichen.
Bundespolizei erkennt „positive Gefühle“ bei Reisenden
Laut der Bundespolizei erzeuge die Nutzung der App bei den Passagieren „positive Gefühle, da sie sich auf die Grenzkontrolle vorbereitet fühlen“. Das mag auch an den Privilegien liegen, die App-Nutzer:innen am Flughafen erhalten: Vorgesehen ist, dass sie an eigens für sie reservierten Kontrollstationen mit kurzen Wartezeiten anstehen dürfen.
Die Bundespolizei will das Münchener Pilotprojekt auf den Flughafen Frankfurt sowie weitere Flüge vom Flughafen München ausweiten. Mit dem Start des EES in einem Jahr könnten dann sämtliche internationalen Flughäfen in Deutschland über die gesonderten Kontrollspuren verfügen.
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Author: Matthias Monroy