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Digitale Brieftasche: Google darf sich beim Wallet-Wettbewerb „draufsetzen“

Dieser Artikel stammt von Netzpolitik.org.

Digitale BrieftascheGoogle darf sich beim Wallet-Wettbewerb „draufsetzen“

Die Bundesagentur für Sprunginnovationen hat Unternehmen gekürt, die Prototypen für die deutsche EUDI-Wallet entwickeln sollen. Darunter ist auch Google, was innerhalb der Fachjury offenbar für Streit sorgt. Vor allem aber zeigt es, wie wenig die Bundesregierung von ihren selbstgesetzten Ansprüchen hält. Ein Kommentar.


Daniel Leisegang – in Technologie2 Ergänzungen
Viel Buzz, wenig Zivilgesellschaft und ein Tech-Gigant – sind das die Voraussetzungen für eine sichere Wallet? – Midjourney („A bee colored in the colors of the Google logo“)

Wenn die Bundesregierung über Digitalisierung spricht, führt sie gerne das Schlagwort „Digitale Souveränität“ im Munde. Die soll „unabhängiger von einzelnen Anbietern und Produkten“ machen und so für mehr IT-Sicherheit und Datenschutz sorgen.

Der Anspruch auf mehr Sicherheit und Datenschutz ist insbesondere beim Thema digitale Identitäten elementar. Konkret bei digitalen Brieftaschen, mit denen sich künftig Millionen Menschen online wie offline gegenüber Behörden und Unternehmen ausweisen sollen.

Elf Unternehmen entwickeln derzeit im Rahmen eines „Innovationswettbewerbs“ Prototypen für ein deutsches Wallet. Der Wettbewerb läuft insgesamt 13 Monate und ist in drei Phasen unterteilt. Der Gewinner wird voraussichtlich im Mai 2025 gekürt.

Wie gestern bekannt wurde, darf auch der Tech-Konzern Google an den Start gehen. Das sorgt offenbar für Streit in der Jury. Und es widerspricht den selbstgesetzten Ansprüchen der Bundesregierung.

Sprind-Jury mehrheitlich für Google

Die ersten sechs teilnehmenden Unternehmen hatte die zuständige Bundesagentur für Sprunginnovationen (Sprind) im Mai aus insgesamt 58 Bewerbungen ausgewählt und bekanntgegeben. Sie erhalten im besten Fall eine finanzielle Förderung von bis zu 950.000 Euro.

Gestern gab Sprind auch die Namen der fünf weiteren Unternehmen bekannt. Sie werden nicht finanziell gefördert, sollen aber vom Feedback der Jury und dem Netzwerk von Sprind profitieren. Darunter ist neben Samsung auch der Tech-Konzern Google.

Die Entscheidung, Google zum Wettbewerb zuzulassen, haben nicht alle Mitglieder der zehnköpfigen Jury mitgetragen. Ein entsprechender Hinweis findet sich auf der Sprind-Website:

Bei der Bewertung der Bewerbung des Google-Teams äußerte die Jury Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes. Ein Jurymitglied sprach sich aufgrund von Datenschutz- und Wettbewerbsbedenken deutlich gegen Google aus. Da das Team alle Bewertungskriterien und Anforderungen (einschließlich der Datenschutzanforderungen) erfüllte, beschloss die Mehrheit der Jurymitglieder, das Team zur Teilnahme an Stufe 1 einzuladen und diesen Aspekt (neben anderen) zum Ende der Stufe 1 erneut zu bewerten.

Ein doppelter Bärendienst

Selbst wenn Google bereits nach der ersten Runde ausscheiden sollte, hat die Sprind-Jury dem Vorhaben schon jetzt einen Bärendienst erwiesen – und zwar in doppelter Hinsicht.

Zum einen haben Datenschützer:innen und Bürgerrechtler:innen die eIDAS-Reform von Beginn an kritisiert. Sie bildet die rechtliche Grundlage für die Wallet. Es gibt jedoch die Befürchtung, dass Unternehmen damit ihre Kund:innen umfassend ausspähen könnten.

Dass nun ausgerechnet der übermächtige Konzern Google an der Entwicklung einer deutschen Wallet beteiligt ist, dürfte diese Befürchtungen noch verstärken. Google macht es den Nutzer:innen bekanntlich gern schwer beim Datenschutz.

Und erst vor wenigen Wochen hat die EU-Kommission eine Untersuchung gegen den Konzern eingeleitet – wegen dessen Marktmacht und möglicher Rechtsverstöße.

Viel Buzz, wenig Zivilgesellschaft

Zum anderen hat die Jury nun ausschließlich Unternehmen ins Wettbewerbsrennen geschickt. Der Einfluss der Zivilgesellschaft beschränkt sich damit mehr oder minder auf wenige Plätze in der Jury. Dabei war der Zivilgesellschaft zu Beginn des Verfahrens noch das genaue Gegenteil zugesagt worden.

Ein offener und partizipativer Wettbewerb unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft werde verhindern, so hatte es Bundes-CIO Markus Richter Mitte April versprochen, „dass sich am Ende ein Monopolist draufsetzt“ und hierzulande eine fertige Wallet bereitstellt. Doch schon nach dem Konsultationsprozess, der dem Wettbewerb vorausgegangen war, hatten sich zivilgesellschaftliche Akteure enttäuscht von dem Verfahren abgewandt.

Nun könnte es der Tech-Gigant Google sein, der sich als Monopolist auf das gesamte Verfahren „draufsetzt“. Dass der Wettbewerb weder besonders offen noch partizipativ ist, war bereits vor der gestrigen Entscheidung deutlich geworden. Nun aber ist auch klar, dass für die Bundesregierung digitale Souveränität nicht mehr als ein Buzzword ist.

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Author: Daniel Leisegang

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