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Deepdive: Besonders AfD-Wähler leben in ihrer eigenen Realität

Vor kurzem fand die Bundestagswahl statt, die rechtsextreme AfD wurde zweitstärkste Kraft. Zu einem wesentlichen Teil auch, weil die AfD-Wähler dezidiert jene faschistische Politik will, aber auch, weil die Wähler in vielen wesentlichen Punkten in ihrer eigenen Märchenwelt leben. Wer AfD wählt, weiß fundamental nicht, wie die Realität aussieht. Das Problem ist weitaus größer als nur die AfD-Wähler, aber bei jenen zeichnet sich das Phänomen am schlimmsten aus. Und vermutlich hast auch die ein oder andere falsche Vorstellung von der Realität. Weil auch der seriöse Journalismus offensichtlich systematisch versagt. Was bedeutet das für den deutschen Journalismus?

Inflation an falschen Vorstellungen

Die Inflationsrate lag in Deutschland 2024 bei 2,2 %. Das scheint aber niemand zu glauben. Eine Analyse der ZEIT mit Zahlen der des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hat herausgefunden, dass ALLE Wähler etwas ganz anderes glauben. AfD-Wähler glauben, die Teuerung läge bei über 18 %. Aber wirklich alle Wähler liegen daneben: Auch Grünen-Wähler glauben, sie läge bei über 10 %. Und sie sind am nächsten an der Wahrheit. Weit entfernt, aber noch am nächsten.

Grafik via ZEIT

Bei Lebensmittelpreisen – vielleicht einer der wichtigsten Indikatoren – ist es noch gravierender: 80% der BSW- und AfD-Wähler empfinden einen starken Preisanstieg bei Lebensmitteln.

Grafik via ZEIT

Wirtschaft: Nicht gut, aber kein Weltuntergang

​Im Jahr 2024 verzeichnete die deutsche Wirtschaft einen leichten Rückgang des preisbereinigten Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 0,2 % im Vergleich zum Vorjahr. Dieser Rückgang wurde sowohl durch konjunkturelle als auch strukturelle Faktoren beeinflusst.​ Für 2025 wird wieder ein kleines Wirtschaftswachstum prognostiziert. Laut der Gemeinschaftsdiagnose Herbst 2024 befindet sich die deutsche Wirtschaft in einem Umbruch, bedingt durch Dekarbonisierung, Digitalisierung, demografischen Wandel und erhöhten Wettbewerb mit China, was die Wachstumsaussichten dämpft. Während ein realer Wirtschaftsrückgang natürlich problematisch ist, ist es allerdings auch weit entfernt von den größten wirtschaftlichen Krisen der letzten 30 Jahre: Von allen 5 Rezessionsphasen erlebten wir derzeit die geringste. Deutschland verzeichnet derzeit immer noch eine Rekordbeschäftigung. Deutschland bleibt die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, mit einem starken Exportüberschuss und stabilen Wachstumsprognosen

Die AfD faselt dennoch gar von einer “Deindustrialisierung”. Dass die Wähler die Situation aber sehr viel pessimistischer einschätzen, als sie ist, zeigt eine kuriose Beobachtung von Infratest dimap. Demnach schätzen genau so viele ihre eigene wirtschaftliche Lage als “gut” ein, wie die, die glauben, die allgemeine wirtschaftliche Lage sei schlecht. Ein großer Teil der Menschen glaubt also, dass es anderen schlecht gehen muss, aber nicht so zwingend ihnen selbst. Also.. den „anderen“. Das ist also keine persönliche Erfahrung, sondern eine mediale.

Die einseitigste Betrachtung haben natürlich: AfD-Wähler.

Neuer Abschiebe-Rekord, Asylzahlen im Rückgang

Ein weiteres Feld, in dem sich besonders AfD-Wähler weit von der Realität entfernt haben, ist die Migration.

Deutschland hatte 2023 eine Nettozuwanderung von 663.000 Menschen (nach über 1 Mio. im Vorjahr). Studien zeigen, dass Migration das Wirtschaftswachstum fördert, indem sie den Arbeitsmarkt stabilisiert und den demografischen Wandel abfedert. Migranten zahlen mehr in die Sozialkassen ein, als sie herausbekommen. Zuwanderung macht uns reicher und schafft Arbeitsplätze (Schätzungen zufolge über 2 Millionen Jobs, darüber hinaus gründen Migranten mehr als Deutsche).

Dennoch wird Migration von den Medien laut Untersuchungen überwiegend als Problem dargestellt. Die Bertelsmann Stiftung stellte im März 2024 fest, dass 78 % der Befragten Mehrkosten für den Sozialstaat durch Zuwanderung erwarten. AfD-Wähler sehen Migration als Bedrohung für den Sozialstaat und die Sicherheit. Die Partei fordert in ihrem Wahlprogramm unter dem Begriff „Remigration“ eine umfassende Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund.

2023 stieg die Zahl der Abschiebungen im Vergleich zum Vorjahr um 27 %. Bis November 2024 stieg die Zahl der Abschiebungen auf 18.384, was einem Anstieg von etwa 21 % gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres entspricht. Für das gesamte Jahr 2024 wurden knapp 20.100 Abschiebungen verzeichnet. 2022 waren es nur fast halb so viele. Auch die Anzahl der Ankünfte neuer Schutzsuchenden ist 2023 bereits stark abgesunken.

2024 ist die Zahl der Asylanträge deutlich gesunken. Während ich keine Zahlen dazu finden konnte, ob es breit bekannt ist, dass die Anzahl der Abschiebungen dramatisch gestiegen sind und die Asylzahlen genauso drastisch gesunken sind, dürften Umfragen, die eine breite Befürwortung von Abschiebungen zeigen und der aktuelle Diskurs ein Indiz dafür sein, dass den wenigsten bewusst ist, dass sie längst das bekommen, was sie wollen. Selbst wenn es auf falschen Annahmen beruht.

Deutschland wird immer sicherer

Deutschland erlebt gerade eine Phase historisch niedriger Kriminalität. Und das trotz zwei großer Flüchtlingsbewegungen 2015 und 2022. Tatsächlich folgten auf die erste die sechs sichersten Jahre in der Geschichte seit der Wiedervereinigung: 2017 bis 2022. Auch ein Anstieg 2023 führte zu nicht mehr Kriminalität als 2010. Die Jahre zwischen 1993 und 2016 (bis auf 2010) hatten mehr polizeilich erfasste Straftaten als 2023! Die Zahl ausländischer Tatverdächtiger ist in dem Jahr übrigens leicht zurückgegangen.  Das Verhältnis der Straftaten mit ausländischen Tatverdächtigen ist verglichen mit der ausländischen Wohnbevölkerung im Vergleich zu vor der Pandemie leicht gesunken. 1993 gab es 1,4 Morde pro 100.000 Einwohner. 2023 waren es halb so viele: 0,8. Durch die Bank gehen schwere Verbrechen zurück:

Zahlen für Gesamtdeutschland für 2024 liegen noch nicht vor, aber in Hessen sank die Kriminalität.

Dennoch halten viele Deutschland nicht nur für unsicher, sondern haben sogar den Eindruck, Kriminalität würde zunehmen (- und jene Zunahme hänge mit Migration zusammen, eine Studie hat jedoch gezeigt, dass mehr Migration nicht zu mehr Kriminalität in Deutschland geführt hat.)

Kriminalität allgemein geht zurück – außer die von Rechtsextremen

Studien zeigen regelmäßig, dass das Empfinden der Entwicklung und Höhe der Kriminalität wenig mit der Realität zu tun hat. Eine Studie hat festgestellt, dass besonders Menschen, die sich politisch rechts der Mitte zuordneten, eine besonders verzerrte Wahrnehmung über Kriminalität aufweisen. Eine Form der Kriminalität und Gewalt erreicht einen Rekord nach dem anderen: Die rechtsextreme. 2024 gab es einen neuen Höchststand bei rechtsextremen Straftaten.

Insbesondere rassistisch motivierte Gewalt nimmt rasant zu. In Sachsen-Anhalt etwa dokumentierte die Mobile Opferberatung im vergangenen Jahr 233 rechte Angriffe – das entspricht statistisch gesehen fast jeden zweiten Tag einer Attacke​. Rund drei Viertel dieser Übergriffe hatten explizit rassistische Motive​. Die Mobile Opferberatung in Magdeburg berichtet, dass nach dem Anschlag von Magdeburg die Zahl rechtsextremer Gewalttaten deutlich zugenommen hat. Auch neueste Zahlen aus Hessen zeigen einen satten Anstieg von 57 % bei rechtsextremen Straftaten.

Wenn Falsche Realitäten Wahlen entscheiden

Nach dem Brexit begannen die Menschen zu googeln, was die EU eigentlich ist. Nach der Thüringen-Wahl bekam unser Artikel mit den schlimmsten Zitaten von Faschist Höcke massiv viele Klicks. Seit Trumps Wahl gibt es so viele Trump-Wähler, die entsetzt sind, dass er ihre Jobs streicht, ihre Freunde deportiert oder die Preise von Eiern explodieren. Die im Screenshot zu sehende Statista Analyse möchte ich mir dazu noch einmal genauer anschauen. Darin wird erklärt, dass der „Zustand der Wirtschaft“ Kamala Harris die Wahl gekostet habe, laut Umfragen.

Ob es der Wirtschaft gut oder schlecht geht in den Augen der Wähler hängt nicht von der Realität ab, sondern davon, zu welcher Partei der US-Präsident gehört. Republikaner glauben schlagartig, dass es der Wirtschaft besser geht, sobald Trump im Amt ist.

Bernie Sanders machte eine ähnliche Analyse. „It’s the the economy, stupid“? – Es gibt nur ein gravierendes Problem mit dieser (so formuliert verkürzten) Erklärung für den Wahlsieg Trumps. Das, was die Leute glauben, mag der Grund für ihre Wahl gewesen sein, aber es entspricht halt nicht wirklich der Wahrheit. Eine Ipsos-Umfrage kurz vor der Wahl zeigt, dass nicht nur die indoktrinierten Trump-Anhänger keine Ahnung mehr haben, was real ist.

Immer mehr Menschen machen sich Sorgen um Kriminalität – in beiden Parteien. Die meisten glauben, die Kriminalität steige immer weiter. Viele sogar, sie sei so schlimm wie nie zuvor.

Kriminalität ist in Wahrheit in allen wichtigen Bereichen in den USA auf ein historisches Tief gefallen. Die Realität entwickelt sich in genau die entgegengesetze Richtung wie die gefühlte Realtität.

Die Inflation ist auch in den USA wieder auf ein normales Level gefallen. Eine Inflation im Übrigen, auch ausgelöst durch Trump beziehungsweise Politik in seiner Amtszeit wie dem Umgang mit der Corona-Pandemie (neben natürlich auch Putins Invasion und diversen anderen Aspekten. Trump arbeitet mit seinen sinnlosen Strafzöllen im Übrigen schon aktiv an der nächsten Inflations-Eskalation.

In Deutschland steigen die Reallöhne übrigens auch wieder – schon seit einiger Zeit.

Übrigens sind auch Strompreise für Neukunden in Deutschland wieder auf Vorkriegsniveau gefallen. (Wer immer noch zu viel bezahlt: Der Anbieter gibt die Preissenkungen dann nicht weiter, wechselt den Anbieter.)

Das gleiche Bild – Hochkonjunktur – beim DAX. (Der Nasdaq hatte die letzten Jahre – unter Biden – ebenfalls Hochkonjunktur, gerät aber gerade wegen Trumps irrationaler Zollpolitik ins Straucheln).

Das soll natürlich nicht heißen, dass alles rosig läuft und es keine Probleme gibt. Die Ungleichheit wächst, das Klima geht über die Klippe, Renten sinken usw. Jede einzelne dieser Grafiken bedürfte einer ausgiebigen Diskussion und hat ein komplexes System aus Ursachen. Oder dass Börsen-Entwicklungen noch große Aussagekraft für den Verdienst einzelner hätten. Aber: Egal ob Ampel oder Biden, es ging in vielerlei Hinsicht überall wieder bergauf – aber die Wahrnehmung der Leute und besonders die der AfD-Wähler war eine völlig andere.

Weitere Aspekte

Es gibt noch viel mehr Themen, in welchem insbesondere AfD-Wähler in ihrer eigenen Welt leben. Laut einer Allensbach-Studie von Juni 2018 stimmten 55 % der AfD-Wähler der Aussage zu, dass „Juden weltweit zu viel Einfluss“ hätten, während die Zustimmung bei Anhängern anderer Parteien zwischen 16 % und 20 % lag. Zudem gaben 17 % der AfD-Anhänger an, nicht gerne neben Juden wohnen zu wollen, verglichen mit 3 % im Bevölkerungsdurchschnitt. Antisemitismus muss ich hier an dieser Stelle glaube ich nicht debunken.

Eine Umfrage von Infratest dimap im Auftrag des NDR Medienmagazins ZAPP im Jahr 2020 zeigte, dass 54 % der AfD-Wähler glaubten, Politik und Medien würden die Gefährlichkeit des Coronavirus bewusst übertreiben, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Im Vergleich dazu stimmten 20 % aller Wahlberechtigten dieser Aussage zu. Dass „Querdenker“ und AfD-Wähler von inzwischen tausenden Studien widerlegt wurden, haben die nicht einmal mehr mitbekommen.

Öffentliche Antwort: So stehen wir heute zur Impfpflicht-Debatte

Je uninformierter, desto ehr AfD-Wähler?

Umfragen zeigen in den USA, je informierter jemand war, desto eher hat er Harris gewählt.

Eine wichtige Erklärung, die im Hintergrund durch diesen ganzen Text bisher wabert ist natürlich, dass wir eine Informationskrise haben. Ja, das rechtsextreme Medien-Ökosystem, das Trump (und auch die AfD, auch aus Russland) mit Propanda und Lügen pusht, ist natürlich ein großer Faktor. Die größten Streamer zur US Wahl waren überwiegend Rechtsextreme beziehungsweise Anti-Harris.

Bei den Podcasts auch.

In Deutschland ist die Situation noch nicht so schlimm wie in den USA. Aber wir bewegen uns rasant dort hin – mit neuen rechtsradikalen Lügenmedien wie NIUS, mit der Radikalisierung der Axel-Springer-Medien. Mit der Trumpisierung, die teilweise in der Union unter Merz stattfindet. Wir verlieren gerade den Kampf um die Aufmerksamkeit, Reichweite und damit auch Deutungshoheit. Wenn die Leute Trump oder die AfD wählen, weil sie keine Ahnung von der Realität haben, dann nicht nur, weil die Rechtsextremen Lügen. Und viele darauf hereinfallen.

Sondern auch, weil alle anderen versagen, die Fakten zu kommunizieren. Ein entscheidender Faktor, der oft übersehen wird, ist der Vertrauensverlust in die etablierten Medien. Das Vertrauen ist noch hoch, besonders im ÖRR, aber sinkt. Aber der ÖRR wird gerade attackiert und systematisch kahlgeschlagen. Durch die Selbstdemontage und das Hofieren rechtsextremer Personen und Medien, die gerade stattfindet, sorgt dafür, dass man die demokratische Seite des Spektrums auch noch verliert. Diese Medien verlieren zunehmend an Reichweite, Deutungshoheit und Glaubwürdigkeit. Alle Auflagen gehen überall zurück. Stattdessen gewinnen soziale Medien immer mehr an Bedeutung. Hier findet jetzt die neue Öffentlichkeit statt. Und egal, ob Politik oder Medien: Die Entscheider haben das alle immer noch nicht wirklich begriffen. Es ist kein wohl kein Zufall, dass eine Einordnung herausgefunden hat, dass dort die AfD besonders stark ist, wo (lokale) Medienvielfalt am geringsten ist.

Die neuen Medien sind brutal rechts

Und hier haben rechtsextreme Kräfte alle Trümpfe in der Hand. Viele Plattformen und ihre Besitzer zeigen mindestens eine Sympathie für rechtsextreme Positionen, wenn sie nicht, wie Elon Musk, sogar aktiv Propaganda für sie betreiben. Mindestens profitieren sie von der Art, wie das Profitmotiv und die Aufmerksamkeitsökonomie via Algorithmen ihre Propaganda belohnt. Auch etablierte, einst als seriös geltende Medien driften ab, bedienen rechtsextreme Narrative und streuen Fake News. Es zeigt sich immer mehr, dass einige Medien, die sich selbst als „journalistisch“ bezeichnen, mit die größten und einflussreichsten Fake News Verbreiter sind. „WELT“ und „BILD“ richten mehr Schaden an als Twitter und Telegram.

Diese 5 einst seriösen Medien verbreiten jetzt Desinformation

Linke, Progressive oder Liberale glauben oft, dass die Menschen sich für Fakten interessieren oder wirklich Wert darauf legen, ob es der Wirtschaft besser geht. Dass es nur wichtig ist, was man tatsächlich macht und ob das den Menschen hilft. Doch weder in den USA noch bei uns herrscht aktuell eine tatsächliche wirtschaftliche Katastrophe. Die Krisen der Corona-Pandemie und die Schocks nach der russischen Invasion haben wir zu großen Teilen hinter uns gelassen. Es kriselt, ja. Aber das ist keine Weimarer Republik. Die deutsche Wirtschaft wächst wieder leicht, die Inflation ist gesunken, die Reallöhne steigen.

Viele denken, es reicht, Recht zu haben. Es reicht, gute Politik machen zu wollen. Die Rechten haben mehr Erfolg dabei, schlechte Politik und Lügen zu verkaufen, weil sie sich nur darüber Gedanken machen, wie sie Werbung dafür machen und wie sie möglichst viele davon überzeugen können. Und es stellt sich heraus: Das ist im Zweifel erfolgreicher, als Recht zu haben.

Es wird nicht mehr lange so weiter gehen können

Während die etablierten Medien versuchen, vermeintlich neutral zu bleiben, statt objektiv zu sein und oft keine klare Position zu beziehen, sprießen dutzende rechte Medien und Influencer, oft finanziert von ausländischen Geldgebern oder Milliardären, aus dem Boden. Sie verbreiten Lügen, setzen gezielte Frames, verfolgen eine klare Agenda und sind so voreingenommen wie nur möglich. All das, was sonst als Killer für Glaubwürdigkeit gelten würde, erweist sich als erfolgreich, erreicht eine große Reichweite, überzeugt viele und gewinnt sogar Wahlen. Während Trump seine Verbündeten verrät, bei Putins Angriffskrieg hilft und einen Staatsstreich verübt und versucht, die Macht an sich zu reißen, liest man von einem „Eklat“ im Weißen Haus, dass Trump eben im „Wahlkampfodus“ sei und Musk nur „Bürokratieabbau“ betreibe.

Trump & Musk: Staatsstreich in den USA & keiner kriegt es hier mit?

Und während das Märchen vom „linksgrünen Rundfunk“ immer noch herumwabert, zeigen Studien eher einen Rechtsdrall in den Medien, wie bereits oben gezeigt. Eine weitere Studie hat gezeigt, dass der ÖRR weit weniger über das Klima berichtet, als sich die Bürger das wünschen. Die Verzerrung kommt nicht nur von Tiktok, Telegram oder Twitter. Die Talkshows vor der Wahl wurden auch von Volksverpetzer heftig dafür kritisiert, dass das Thema Klimawandel fast völlig ausgespart wurde.

TV-Duell Scholz vs. Merz: Das wichtigste Thema wurde verschwiegen

Faschisten von der AfD können in den vielen Einladungen fast ungestört und unwidersprochen lügen, dass sich die Balken biegen. Widerspruch und Einordnung gibt es kaum, wie wir bei der Wahlarena vor der Wahl gezeigt haben.

Wahlarena fixed – Ist diese Talkshow Endgegner der Fakten?

Währenddessen jubeln die Rechtsextremen über gratis PR-Clips, die sie eifrig in ihren eigenen Kanälen verwerten. Die wenigen, bemühten Faktenchecks gehen im Mediendickicht unter; fast niemand liest sie, jedenfalls im Vergleich zu den Millionen Aufrufen, die eine viral gegangene Weidel-Inszenierung in sozialen Netzwerken erreicht.

Studien deuten darauf hin, dass Auftritte rechtsextremer Politiker in großen Medienformaten wie jetzt in der Wahlarena tendenziell die Zustimmung zu rechtsextremen Positionen erhöhen. Man lässt sich von der Idee leiten, man könne sie „stellen“, ihnen „widersprechen“ und sie durch Gegenargumente so quasi „unschädlich“ machen. Die Realität zeigt aber genau das Gegenteil.

Tu Gutes und – vergiss, darüber zu sprechen?!

Natürlich sollten wir nicht auch anfangen zu lügen, Propaganda zu verbreiten. Wir sollten fair, objektiv und wissenschaftlich bleiben. Aber wir müssen uns Strategien abschauen, gesehen zu werden. So wie es der „Volksverpetzer“ macht übrigens. Warum haben wir wohl einen so provokanten Namen, sind reißerisch und emotional? Das ist Absicht. Nicht, weil wir nicht anders könnten. Und dennoch (oder deswegen?) haben wir uns aus nichts so viel Reichweite erarbeitet, dass wir komplett ohne Unterstützung von Stiftungen, Parteien oder reichen Gönnern funktionieren können. In meinem Buch „Werbung für die Wahrheit“ habe ich das Grundprinzip erklärt. Wir müssen endlich dazulernen, strategisch aufrüsten und wissenschaftlich fundierte Narrative verbreiten.

So viele gute Initativen, Medien und Organisationen machen so qualifzierte Arbeit. Und keiner kriegt es mit. Social Media ist für viele ein nachträglicher Gedanke. Tu Gutes und … vergiss, darüber zu sprechen? Das muss sich ganz ganz dringend ändern. Wir haben auf der einen Seite dutzende Organisationen und Wissenschaftler, die wichtige, robuste Arbeit machen. In den Trends und Themen auch der seriösen Medien dominieren aber nur die Lügen der Rechten. Und überzeugen Menschen.

Wir müssen die Menschen aufklären, damit sie verstehen, was wirklich passiert. Und nicht dabei so wirken, als würden wir den Status Quo verteidigen, sondern neue Wege aufzeigen. Mutig neue Pfade beschreiten und uns nicht einschüchtern lassen, wenn wir als „radikal“ oder „woke“ beschimpft werden. Und ja, das Problem existiert durch die Bank aber findet sich überwiegend rechts. Es sind insbesondere die Wähler rechter Parteien, die regelmäßig Fake News lesen, glauben und dementsprechend ein völlig falsches Bild von der Realität haben. Eine neue Studie, die Tweets von Politikern aus 26 Ländern über fünf Jahre untersucht hat, hat festgestellt, dass Fake News überwiegend von Rechts kommen.

Wir müssen etwas grundlegend anders machen

Die Rechten schaffen es mit ihren Methoden, den Mainstream nach rechts zu verschieben. Es geht dabei nicht nur um Politik, von der auch die Menschen am unteren Ende der Gesellschaft profitieren würden – Arbeitslose, Geringverdiener, Rentner usw. Diese werden von Rechtsextremen gerade hereingelegt, dafür zu stimmen, dass es ihnen noch schlechter geht. Rechtsextreme, die von den Reichsten der Welt finanziert werden. Elon Musk, der reichste Mann der Welt, unterstützt die AfD, auch Putin, einer der mächtigsten Menschen der Welt, tut das. 2025 hat die AfD massiv viele Großspenden erhalten und mächtige Medienkonzerne unterstützen sie direkt und indirekt.  Hier bietet das Problem die Scheinlösung an, um das Problem noch zu verschlimmern.

Wir dürfen ihnen nicht erlauben, die Debatte zu bestimmen. Wir müssen selbst die Agenda setzen. Und dazu reicht nicht einfach nur besseres Marketing oder langweilige Faktenchecks, die den aufregenden Fakes hinterher laufen. Ja, es ist so, dass die Journalisten einen Großteil seriös verfasste Artikel verfassen können, aber trotzdem helfen, die Fakes zu streuen. Fakes, die behaupten, die Wirtschaft sei schlechter, als sie ist. Und die behaupten, Trump oder die AfD hätten ein Interesse daran, es besser werden zu lassen. Die Menschen lesen die „Vibes“, die Narrative, nicht die Zahlen. Erst Recht nicht die guten Recherchen hinter den Paywalls, wenn die Lügen millionenfach gratis überall zu sehen sind.

Verhaltet euch auch wie die vierte Gewalt

Wenn auch gute Medien gute Arbeit machen, bringt das alles nichts, wenn sie im Framing und in der Auswahl der Themen versagen. Wenn sie sich von ganz Rechts aufdiktieren lassen, was und wie sie über die Themen zu diskutieren haben. Ich glaube, viele Journalisten verstehen nicht, dass sie den Diskurs „korrigieren“ müssen, wenn eine „neutrale“ Darstellung verzerrend wäre. Beziehungsweise sie greifen ja verzerrend ein – wenn es darum geht, wissenschaftlich unhaltbare Minderheitenmeinungen zu präsentieren. Sie denken, bei „Nachrichten“ dürfe man nicht „eingreifen“, wenn man Fakten checkt und auch ausspricht, wenn jemand lügt und bei „Meinungen“ müsse man sich nicht an Fakten halten, weil es sind ja Meinungen.

Viel zu oft wird „Neutralität“ hergenommen, wenn man sich an „Objektivität“ halten sollte. Der eine Teil der Medienlandschaft macht skrupellosen Wahlkampf, verbreitet Propaganda und Desinformation und der Rest hat Angst, Fakten auszusprechen, um nicht „parteiisch“ und „linksgrün“ zu wirken, weil sie dann vermeintlich ihr Ansehen verlieren. Ganz offensichtlich funktioniert das nicht, was wir in den letzten Jahren probieren. Das, was die Menschen wahrnehmen, entspricht immer weniger der Realität. Der Journalismus versagt offensichtlich gerade systematisch.

Das heißt, wir müssen irgendetwas grundlegendes ändern. Darauf zu verweisen, dass es ja das ein oder andere seriöse Medium gäbe, dass einen gut aufgeklärt, wenn man ein Abo abschließt und die nötige Zeit und Medienkompetenz mitbringt, reicht nicht mehr. Wir verlieren gerade insbesondere die Wähler vom rechten Rand in eine Parallelwelt. Und korrupte Oligarchen nutzen das bereitwillig, um sich selbst zu bereichern und alle die tatsächlichen Probleme, die es gibt, schlimmer zu machen. Wer als „Vierte Gewalt“ bezeichnet wird, muss sich dementsprechend auch verhalten und die Übeltäter zur Rechenschaft ziehen. Und nicht Teil ihrer Medienstrategie zu bleiben, weil sie offensichtlich funktioniert. Am Ende wählen die Menschen so, als ob sie in einer anderen Wirklichkeit leben. Leiden müssen wir alle darunter.

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