Auf Google Maps-Karten war noch nie die Bezeichnung „Palästina“ aufgeführt. Google wollte in diesem Konflikt „neutral“ bleiben. Und dennoch kursieren nun Fakes im Internet, die genau das Gegenteil behaupten. Diese Fakes sind nicht einmal neu, doch werden im aktuellen Kontext besonders häufig geteilt. Ein simpler Fake, doch sehr effektiv – wir schauen nach, warum.
Faktencheck: Google nannte nie „Palästina“
Der Nahostkonflikt beruht auf historischen Entwicklungen, die so komplex sind, dass niemand seriös sagen kann, wer in diesem Konflikt überhaupt „Recht“ hat. Wir beim Volksverpetzer stehen solidarisch hinter dem Existenzrecht Israels und auch dem damit verbundenen Recht zur Selbstverteidigung. Dazu gehört vor allem auch die Bekämpfung der islamistischen Terrormiliz Hamas. Gleichzeitig halten wir es für dringend geboten, jegliche Gewalt gegen die Zivilbevölkerung, Journalist:innen und Sanitäter:innen aufs Schärfste zu kritisieren. Doch eine Lösung für den Konflikt können wir euch nicht anbieten. Wir können nur das tun, was wir immer schon tun: Fake News aufzeigen und deren Verbreitung bekämpfen.
Wer allerdings eine der emotionalsten Fragen, nämlich die, ob Palästina überhaupt existiert, mithilfe von Google Maps lösen möchte, findet eine scheinbar erstaunlich einfache Antwort. Denn laut Google Maps gibt es „Palästina“ nicht. Das kann man wirklich einfach nachprüfen, ich gehe buchstäblich genau jetzt, während ich den Artikel schreibe, auf Google Maps und mache einen Screenshot. Darin seht ihr: Es gibt nur „Westjordanland“ und „Gazastreifen“, getrennt von Israel durch eine gestrichelte Linie. Diese Bezeichnungen sind auch nicht so stark hervorgehoben wie die Bezeichnung für den Staat Israel.
Doch ironischerweise hat sich genau wegen dieser einfachen Überprüfbarkeit ein Schwall an Desinformation, Vorwürfen und emotionaler Empörung über Google ergossen. Und das, obwohl der Konzern nie die Bezeichnung „Palästina“ in seinen Karten genutzt hat.
Die Kolleg:innen von Correctiv haben bereits einen Faktencheck zu diesem Thema veröffentlicht. Dabei fanden sie auch heraus, dass dieser Fake schon seit mindestens 7 Jahren (!) kursiert – und bereits fast genauso lange auch widerlegt ist. Google selbst bestätigte, dass es „Palästina“ als Staat noch nie auf ihren Karten gab. Das Unternehmen gab gegenüber Correctiv an, es sei einer „objektiven Darstellung“ verpflichtet. Dieser Fall ist also ein Beispiel dafür, wie einfach Desinformation, Beweislastumkehr und Emotionalisierung in den sozialen Medien funktionieren. Und er zeigt auch, wie mühsam es im Gegensatz dazu ist, Fakten zu verbreiten.
Google Maps und Palästina: der gleiche Fake seit Jahren
Also nutzen wir dieses Beispiel doch einmal, um auf die immer wiederkehrenden Mustern von Desinformation im Internet zu schauen. Zum Beispiel hier eine Sammlung von Tweets dazu mit Jahresangaben:
Diese Tweets stammen aus einer Zeitspanne von sieben Jahren, doch weisen erstaunliche Parallelen auf. In allen wird der falsche Eindruck erweckt, „Palästina“ sei bis vor kurzem auf Google Maps gewesen und nun entfernt worden. Außerdem sind alle Tweets stark emotionalisiert. Ob mit „zerbrochenes Herz“-Emoji, einem empörten „shame on you Google!“ oder der Aufforderung, man müsse jetzt endlich „dagegen“ stehen.
Und diese Emotionalisierung wirkt: Ein TikTok-Video, in welchem einige dieser Tweets mit emotionaler Musik unterlegt wurden, erzielte immerhin fast 350.000 Likes und über 3,6 Millionen Views (zur Problematik der Vergleichbarkeit von Views auf TikTok berichteten wir allerdings auch schon). Ein weiterer Beleg für die Faustformel von Social Media: Im Zweifel funktionieren Emotionen besser als Fakten. Das kann man natürlich kritisieren, man kann die süchtig machenden Algorithmen der Social Media-Konzerne anprangern und auch künstlich Skandale der scheinbar naiven jungen Generation hochjazzen. Doch es ändert nichts daran, dass dies nun einmal die Nachrichten- und Informationswelt ist, in der wir leben. Und wir müssen einen Umgang damit finden.
Gesunde Skepsis statt naiver Bequemlichkeit
Dafür braucht es vor allem eine gesunde Skepsis von uns Konsument:innen. Und nein, damit ist nicht gemeint „Die Medien und Politiker lügen doch eh alle“. Das ist keine gesunde Skepsis, das ist naive Bequemlichkeit. Doch wenn etwas emotional berührt, aber keine Quellen angibt, sollte man vor dem Posten, Teilen oder Kommentieren immer noch einmal kurz innehalten. Das gilt vor allem für solche Inhalte, die scheinbar das eigene Weltbild bestätigen. Das ist übrigens auch der Grund, warum wir beim Volksverpetzer immer möglichst alle Tatsachenbehauptungen mit klickbaren Quellen, Studien oder Hintergrundinformationen belegen.
Solche virale Desinformation wie der Google Maps-Fake zu Palästina funktionieren eben auch deswegen, weil sie in das Weltbild der Leser:innen passen. Wenn man ohnehin das antisemitische Narrativ glauben möchte, dass es eine geheime Weltverschwörung gebe, hinter der Israel, „die Juden“ und globale Konzerne stecken, dann glaubt man eben auch gern einer Desinformation, die genau das zu bestätigen scheint. Zumal es sich ja scheinbar (siehe oben) durch eine schnelle Suche bei Google Maps „bestätigen“ lässt. Was man dabei allerdings nicht überprüfen kann ist, ob überhaupt jemals ein Staat namens „Palästina“ bei Google eingetragen war. Und damit auch: Ob Google diesen wirklich aktiv „gelöscht“ hat.
Dann greift auch ein unbewusster Zirkelschluss: Man glaubt dem Fake, weil er ins Weltbild passt und gleichzeitig bekräftigt man sein Weltbild, da der (nicht erkannte) Fake es zu bestätigen scheint. Aufgrund dieses simplen, aber fatalen Mechanismus haben es Verbreiter:innen von Desinformation und Verschwörungsmythen so leicht.
Fazit
Google hatte auf seinen Karten noch nie „Palästina“, da es eine Positionierung im Nahostkonflikt vermeiden wollte. Ob der Konzern sich damit nicht trotzdem implizit positioniert und welche Implikationen das Ganze haben könnte – darüber lässt sich natürlich streiten. Fakt ist aber: Die aktuellen Vorwürfe sind kompletter Unsinn und helfen nur den Leuten, die antisemitischen Verschwörungsmythen verbreiten wollen. Wer ernsthaft an Frieden, Freiheit und Demokratie interessiert ist, sollte keine Desinformation verbreiten.
Teilt stattdessen lieber unsere Faktenchecks und auch die der Kolleg:innen von Correctiv. Wir bemühen uns, euch Tipps zu geben, wie ihr die Flut der Fake News im Netz übersteht. Wenn ihr nach Orientierung sucht, wie ihr euch generell zum Nahostkonflikt äußern könnt, haben wir hier etwas für euch. Denn wir können auch nicht jeden einzelnen Fake widerlegen, dazu gibt es aktuell viel zu viele. Grundsätzlich gilt: Im Zweifel ist es vollkommen in Ordnung und oft auch besser, zu einem Thema, in dem man sich nicht gut genug auskennt, einfach mal nichts zu sagen. Prüft Quellen und seid besonders skeptisch, wenn keine angegeben sind! Denn weiterhin gilt: Keine Demokratie ohne Fakten.
Artikelbild: Screenshot google.com
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