… zumindest wird die AfD es so feiern
Die Lanz-Sendung vom 6.2.2024 war wieder mal ein Paradebeispiel, warum die Medien endlich begreifen müssen, dass sie enormen Schaden anrichten, wenn sie immer noch AfD-Rechtsextremisten in ihre Sendungen einladen, um ihnen eine große Bühne zu bieten, für deren gefährliche Desinformation und Selbstverharmlosung. Selbst wenn man sich um Differenzierung und um Fakten bemüht, wie das Lanz durchaus tat, prallt das an der Schamlosigkeit der Rechtsextremisten ab. Chrupalla und seine rechtsextreme AfD danken Lanz für den Abend.
Lanz scheitert am Rechtsextremismus
In der jüngsten Ausgabe der Markus Lanz Talkshow standen die Themen Wirtschaft und die politische Ausrichtung der AfD im Mittelpunkt. AfD-Co-Vorsitzender Tino Chrupalla nutzte die Plattform, um die Positionen seiner rechtsextremen Partei zu verteidigen, während Moderator Markus Lanz durchaus versuchte, eine differenzierte Diskussion zu führen. Das musste natürlich gegen den Rechtsextremisten scheitern. Lanz konfrontierte Chrupalla mit Vorwürfen des Rechtsextremismus, insbesondere im Hinblick auf Faschisten Björn Höcke, den der Verfassungsschutz beobachtet. Chrupalla wies diese zurück und konnte so tun, als gäbe es durchgängig in seiner Partei Unterstützung für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Zur Erinnerung: Höcke sagt solche Dinge:
„Neben dem Schutz unserer nationalen und europäischen Außengrenzen wird ein groß angelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein.“ Ziel dieser „Remigration“ sei es, nach „der erhofften Wendephase“ (Machtantritt der AfD) „kulturfremde“ Menschen (Afrikaner und Asiaten) zu deportieren. Und weiter „Vor allem eine neue politische Führung wird dann schwere moralische Spannungen auszuhalten haben: Sie ist den Interessen der autochthonen Bevölkerung verpflichtet und muss aller Voraussicht nach Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwiderlaufen.“ Man werde, „so fürchte ich, nicht um eine Politik der ‚wohltemperierten Grausamkeit‘ herumkommen.“ „Auch wenn wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind, sich der fortschreitenden Afrikanisierung, Orientalisierung und Islamisierung zu widersetzen.“
Wackelpudding an die Wand nageln
Die Diskussion gab wieder einmal Chrupalla die Möglichkeit, kritischen Fragen auszuweichen und die Realität zugunsten seiner Partei zu verdrehen. Er verteidigte auch Alice Weidels umstrittene Aussagen im Bundestag und argumentierte, dass solche Äußerungen von der Meinungsfreiheit gedeckt seien, obwohl sie die Grenzen des politisch Akzeptablen weiter verschieben.
Lanz bemühte sich zwar um eine nuancierte Betrachtung, indem er darauf hinwies, dass nicht alle AfD-Wähler oder -Sympathisanten die extremistischen Positionen der Partei teilen. Im Kontext der Sendung half er Chrupalla jedoch einfach nur bei der Inszenierung und Selbstverharmlosung.
Chrupallas Aussagen zu Wirtschaft und Zuwanderung zeigten die Widersprüche in der Politik der AfD auf. Während er die Freizügigkeit innerhalb Europas begrüßte, forderte er strenge Sprachkenntnisse für Zuwanderer, was vielen potenziellen Migranten den Weg nach Deutschland versperren könnte. Doch das ist auch keine neue Erkenntnis und wird rein gar nichts zur Aufklärung oder gar Entlarvung der AfD beitragen. Nein, es war ein Geschenk für die AfD.
Die AfD gewinnt bei jeder Einladung
Ich habe letzte Woche „Chrupalla blamiert sich“ und „So genial lässt Maischberger AfD-Chef Chrupalla auflaufen!“ getitelt, um in meinem Artikel darauf hinzuweisen, dass Frau Maischberger zwar wirklich einige gute Riposten auf den AfD-Chef hatte, aber das völlig belanglos war. In der parallelen AfD-Medienwelt wurde trotzdem so getan, als habe Chrupalla einen grandiosen Auftritt hingelegt.
Dass Lanz keine derart gute Performance abliefern konnte (und warum ich heute dann das gegenteilige Framing gewählt habe), mag nichts mit seinen journalistischen Fähigkeiten zu tun haben, aber verdeutlicht vielleicht noch besser, wie sinnlos und gar gefährlich es ist, Vertreter rechtsextremer Parteien einzuladen. In der rechtsextremen Medienwelt wird schon wieder eine ganz andere Erzählung inszeniert über die gestrige Lanz-Sendung.
Es ist völlig egal, ob man Chrupalla „stellen“ kann oder „zerstören“, der hat bereits dadurch gewonnen, dass er eingeladen wurde.
Verfechter der Einladung von AfD-Rechtsextremisten in Talkshows meinen, dort könnte man sie gut „stellen“ und „entlarven“. Außerdem sei es ja auch irgendwie demokratisch, auch (potentielle) Verfassungsfeinde zu Wort zu kommen zu lassen, auch wenn sie diese Fairness nie uns entgegenbringen würden. Manche behaupten, der ÖRR müsse das auch, was im Übrigen nicht stimmt. Diese Einstellung ist zwar löblich und ehrenhaft. Sie scheitert aber an der Realität. Und krankt an zwei entscheidenden Stellen.
Zum einen der ganz praktische Fall: Nicht jedem Journalisten gelingt es auch, diese Rechtsextremisten zu stellen und ins Schwimmen zu bringen. Im schlimmsten Fall wird der AfD-Politiker wie ein seriöser Politiker behandelt, während der Journalist hilflos nickt, während faschistische Propaganda und Vorwürfe von „Gleichschaltung“ unwidersprochen in seiner oder ihrer Sendung läuft. Na gut, das könnte man ja durch kompetente Medienleute fixen. Der zweite Punkt ist viel entscheidender:
Selbst im besten Fall, wenn ein Rechtsextremist ordentlich gekontert wird, wenn kompetent widersprochen wird, Widersprüche aufgedeckt und im Nachhinein auch ein Faktencheck veröffentlicht wird, wie bei Maischberger: Es ist nichts dadurch gewonnen.
STUDIE: RECHTSEXTREME EINLADEN MACHT RECHTSEXTREME STÄRKER
Wir haben vor einer Weile bereits über eine Studie geschrieben, die sich genau mit diesem Thema beschäftigt. Fazit: Interviews und Auftritte rechtsextremer Akteure im Fernsehen führen dazu, dass ihre Ansichten und Statements eine höhere Zustimmung in der Bevölkerung erzielen. Die „Entzauberung“ rassistischer, rechtsextremer und falscher Statements, welche durch solche Auftritte angestrebt werden soll, findet also überhaupt nicht statt. Im Gegenteil.
Auch kritische Journalisten verfehlten laut der Studie ihre Wirkung, dass Zuschauer rechtsextreme Aussagen hinterfragten. Im besten Fall können gekonnte Journalistinnen wie Maischberger den Schaden für das Mainstream-Publikum reduzieren und negieren. Auch Professor Abou-Chadi erklärte nach der Lanz-Sendung:
„Diese Woche sind AfD Politiker wieder in allen Talk Shows zu Gast. Viele ihrer Aussagen bleiben unhinterfragt. Forschung zeigt klar wie das rechtsextreme Positionen legitimiert. Die Idee man könnte sie stellen ist eine Illusion. Medien legitimieren weiter radikal rechts.“ [sic]
Während Millionen auf die Straße gehen, darf die AfD im Prime TV hetzen
Während schon die vierte Woche Millionen Menschen gegen die rechtsextreme AfD und die Normalisierung des Rechtsextremismus auf die Straße gehen, machen die Öffentlich-Rechtlichen diese ganze Anstrengung zunichte, wenn sie immer und immer wieder diesen Rechtsextremisten eine Bühne bieten.
Michael Meyns bei der Frankfurter Rundschau beschrieb es: „Sich auf Positionen festzulegen und diese dann auch konsequent vertreten, das fiel nicht nur Chrupalla bei Markus Lanz im ZDF schwer – das ist die Spezialität der AfD bei öffentlichen Auftritten. Als würde man versuchen, Wackelpudding an die Wand zu nageln. So wirkte der Umgang mit Chrupalla bei Lanz. Der Rechtsaußen, wich aus, verweigerte sich, drehte und wendete sich.“
Die AfD wird alles sagen, um Profit aus dem Auftritt zu schlagen. Sie wird lügen, sich selbst widersprechen und sich später einfach irgendetwas zusammenschneiden, drehen und wenden. Sie wird immer davon profitieren. Und das wird immer der Demokratie schaden. Letzten Endes wird es auch der freien Presse schaden. Manche Menschen könnten den Chef-Verharmloser Chrupalla bei Lanz sehen und meinen: So viel Nazi höre ich da doch gar nicht. Faschist Höcke und diejenigen, die bereits die Massendeportationen planen, reiben sich die Hände.
Wann lernt ihr es endlich?!
Und es ist so unnötig. Es gibt so viele gute, seriöse Medien. So viele aufrichtige Journalisten und Journalistinnen. Journalistin Eva Quadbeck sagte bei ProSieben, als sie übrigens über die Volksverpetzer-Petition sprachen, (richtig!), dass man das „Gift“ der AfD „neutralisieren“ müsse. Alle nickten und das Fazit der Runde war ein: Hoffen wir, dass es nicht noch schlimmer wird. Und ich frage mich: Und WIE neutralisieren wir das „Gift“? Wann wollen wir damit anfangen? Wir bei Volksverpetzer sagen diese Dinge seit Jahren. Es kann so nicht weitergehen. Aber ich habe das Gefühl, die deutschen Medien haben bereits aufgegeben.
Es muss sich fundamental in der deutschen Medienschaft etwas ändern. Und zwar schnell. Denn natürlich ist der AfD-Aufstieg nicht alleine die Schuld von den Medien, aber an politischen Ansichten kann nur das herauskommen, was zuvor in den Diskurs hereingekommen ist. Wir können ja ÜBER sie und ihre Desinformation reden. Es gibt genug Experten und Forscher, die das zeigen könnten. Das ganze Problem analysiert und was wir alle, aber auch insbesondere Medienschaffende tun können, um der Desinformation und dem Faschismus Einhalt zu gebieten, bevor es zu spät ist – und trotzdem nicht auf Klicks zu verzichten – erkläre ich in meinem kommenden Buch „Werbung für die Wahrheit“, welches gerade erschienen ist.
Nein, natürlich hat Chrupalla nicht Lanz zerstört. Aber Lanz auch nicht Chrupalla. Und auch Maischberger die Woche zuvor nicht. Das ist ja das Problem. Chrupalla und seine Partei zerstören aber mit jedem Auftritt immer weiter unsere Grundlage eines gemeinsamen Konsenses, der für die Demokratie unabdingbar ist. Wir sägen selbst an den Ästen, auf denen wir sitzen. Es wird endlich Zeit, dass wir damit aufhören.
Artikelbild: Screenshots zdf.de
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